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Shutter Island

Titel: Shutter Island Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Lehane
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war das?«
    »Vor einem Monat.«
    »In einem Monat kann viel passieren.«
    »Stimmt.«
    »Und was ist mit dem Leuchtturm?«, fragte Chuck. »Glaubst du wirklich, da hockt eine Riege verrückter Wissenschaftler und implantiert jetzt gerade Laeddis eine Antenne ins Gehirn?«
    »Ich bin der Meinung, dass man eine Wasseraufbereitungsanlage nicht einzäunen würde.«
    »Da stimme ich dir zu«, sagte Chuck. »Aber es hat alles ein bisschen was vom Grand Guignol, findest du nicht?«
    Teddy runzelte die Stirn. »Keine Ahnung, was ist das für ’n Scheiß?«
    »Das bedeutet schrecklich«, sagte Chuck. »So wie im Märchen, gruselig halt.«
    »Aha«, sagte Teddy. »Aber wie hieß das? Grong Ginjoll?«
    »Grand Guignol«, erklärte Chuck, »das ist Französisch. ’tschuldigung.«
    Teddy musterte Chuck, während der versuchte, sich darüber hinwegzugrinsen. Wahrscheinlich suchte er nach einem anderen Thema.
    »Hast du als Kind in Portland Französisch gelernt?«, fragte Teddy.
    »In Seattle.«
    »Ach ja.« Teddy legte die Hand auf die Brust. »’tschuldigung.«
    »Ich mag das Theater, ja?«, sagte Chuck. »Das ist ein Theaterbegriff.«
    »Ich kannte einen, der in der Dienststelle in Seattle gearbeitet hat«, warf Teddy ein.
    »Ach ja?« Geistesabwesend klopfte Chuck seine Taschen ab.
    »Ja. Wahrscheinlich kennst du ihn auch.«
    »Gut möglich«, sagte Chuck. »Willst du sehen, was ich in Laeddis’ Akte gefunden hab?«
    »Der Typ hieß Joe. Joe …« Teddy schnippte mit den Fingern. »Sag mal eben. Liegt mir auf der Zunge. Joe, ähm, Joe …«
    »Gibt ’ne Menge Joes«, entgegnete Chuck und griff in die Gesäßtasche.
    »Ich dachte, die Dienststelle in Seattle wäre nicht so groß.«
    »Hier.« Chuck zog die Hand heraus, aber die Finger waren leer.
    Der gefaltete Zettel, den Chuck gesucht hatte, lugte noch aus seiner Hosentasche.
    »Joe Fairfield«, sagte Teddy, in Gedanken bei der Bewegung, mit der Chuck die Hand herauszogen hatte. Ungelenk. »Kennst du den?«
    Chuck griff wieder in die Tasche. »Nein.«
    »Ich bin mir völlig sicher, dass er nach Seattle versetzt wurde.«
    Chuck zuckte mit den Schultern. »Der Name sagt mir nichts.«
    »Na, vielleicht war’s doch Portland. Verwechsle ich immer.«
    »Ja, hab ich schon gemerkt.«
    Chuck zog den Zettel heraus, und Teddy hatte plötzlich vor Augen, wie er am Tag ihrer Ankunft dem Wärter mit ungeschickter Bewegung seine Waffe gereicht hatte. Chuck hatte Schwierigkeiten mit dem Holsterverschluss gehabt. So was durfte für einen Marshal eigentlich kein Problem darstellen. Im Dienst konnte das tödlich enden.
    Chuck hielt Teddy den Zettel hin. »Das ist das Aufnahmeformular. Von Laeddis. Mehr als das und seine ärztlichen Unterlagen konnte ich nicht finden. Keine Berichte über besondere Vorkommnisse, keine Sitzungsprotokolle, kein Foto. Fand ich seltsam.«
    »Seltsam«, sagte Teddy. »Hmm.«
    Chuck hielt die Hand noch immer ausgestreckt, das gefaltete Blatt neigte sich gen Boden.
    »Los, nimm!«, sagte Chuck.
    »Nein«, erwiderte Teddy. »Behalt du es.«
    »Willst du es dir nicht mal ansehen?«
    »Ich guck’s mir später an«, erwiderte Teddy.
    Er sah seinem Kollegen in die Augen und ließ das Schweigen wirken.
    »Was ist?«, fragte Chuck schließlich. »Guckst du mich so komisch an, weil ich nicht weiß, wer Joe Du-kannst-mich-mal-kreuzweise ist?«
    »Ich guck dich nicht komisch an, Chuck. Wie gesagt, ich verwechsle ständig Portland und Seattle.«
    »Gut. Also dann –«
    »Lass uns weitergehen«, schlug Teddy vor.
    Er erhob sich. Chuck blieb noch kurz sitzen, den Blick auf das Blatt in seiner Hand gerichtet. Er betrachtete die Bäume um sie herum. Dann schaute er zu Teddy auf. Schließlich sah er zum fernen Strand hinüber.
    Wieder ertönte das Nebelhorn.
    Dann erhob sich auch Chuck und stopfte den Zettel zurück in die Gesäßtasche.
    »Na gut«, sagte er. »In Ordnung. Du gehst vor!«
    Teddy stapfte los in Richtung Osten.
    »Wo willst du hin?«, fragte Chuck. »Ashecliffe ist in der anderen Richtung.«
    Teddy schaute sich um. »Ich will nicht nach Ashecliffe.«
    Chuck war verärgert, vielleicht sogar verängstigt. »Wohin gehen wir dann bitte, Teddy?«
    Teddy grinste. »Zum Leuchtturm, Chuck.«
     
    »Wo sind wir?«, fragte Chuck.
    »Wir haben uns verirrt.«
    Sie hatten den Wald hinter sich gelassen, aber anstatt nun vor dem Zaun des Leuchtturms zu stehen, waren sie weiter nördlich herausgekommen. Der Sturm hatte den Wald in einen Sumpf verwandelt. Entwurzelte oder

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