Shutter Island
Mann an und ahnte Wahnsinn in dessen vollkommenen Augen. »Wie bitte?«
»Gottes Geschenk«, erklärte der Direktor und wies mit schwungvoller Armbewegung auf die zerstörte Landschaft. »Seine Gewalt. Als ich in meinem Haus nach unten ging und den Baum im Wohnzimmer sah, da griff etwas nach mir wie eine göttliche Hand. Natürlich nicht wirklich, aber in übertragenem Sinne. Gott liebt Gewalt. Das verstehen Sie doch, oder?«
»Nein«, sagte Teddy. »Das verstehe ich nicht.«
Der Direktor ging einige Schritte weiter und drehte sich zu Teddy um. »Warum sollte es sonst so viel Gewalt geben? Sie ist in uns. Sie kommt aus uns. Sie ist unwillkürlicher als das Atmen. Wir führen Krieg. Wir verbrennen Rauchopfer. Wir zerreißen unsere Brüder und plündern. Weite Felder füllen wir mit unseren stinkenden Toten. Und warum? Um ihm zu zeigen, dass wir von seinem Vorbild gelernt haben.«
Der Mann strich über den Einband des kleinen Buches, das er gegen seinen Bauch drückte.
Er grinste, und seine Zähne waren gelb.
»Gott schenkt uns Erdbeben, Orkane, Tornados. Er schenkt uns Berge, die Feuer auf unsere Köpfe regnen lassen. Ozeane, die Schiffe verschlucken. Er schenkt uns die Natur, und sie tötet lächelnd. Er schenkt uns Krankheiten, damit wir im Sterben glauben, er hat uns die Körperöffnungen nur geschenkt, damit wir spüren können, wie unser Leben aus uns hinausblutet. Er hat uns Lust, Wut und Gier und unsere verkommenen Herzen geschenkt. Damit wir zu seinen Ehren Gewalt anwenden. Es gibt keinen anderen moralischen Imperativ, der so pur ist wie der Sturm, den wir gerade erlebt haben. Es gibt überhaupt keine moralischen Grundsätze. Es geht nur um eine Frage: Habe ich mehr Gewalt oder du?«
Teddy sagte: »Ich weiß nicht genau, ob –«
»Und?« Der Direktor trat an Teddy heran, und Teddy roch seinen schlechten Atem.
»Und was?«, fragte Teddy.
»Habe ich mehr Gewalt oder Sie?«
»Ich bin nicht gewalttätig«, entgegnete Teddy.
Der Direktor spuckte auf den Boden. »Sie sind so gewalttätig wie nötig. Das weiß ich, denn ich bin auch so gewalttätig wie nötig. Machen Sie sich nichts vor, verleugnen Sie nicht Ihre eigene Blutrünstigkeit, mein Sohn. Machen Sie mir nichts vor. Wenn die Zwänge der Gesellschaft abgelegt würden, und nur ich stünde zwischen Ihnen und der nächsten Mahlzeit, dann würden Sie mir mit einem Stein den Schädel einschlagen und mich verspeisen.« Er beugte sich vor. »Wenn ich meine Zähne jetzt in Ihr Auge schlagen würde, könnten Sie mich aufhalten, ehe Sie blind wären?«
Teddy sah die Freude in den Kinderaugen. Er stellte sich das schwarze Herz dieses Mannes vor, das in seinem Brustkorb pochte.
»Versuchen Sie’s doch«, sagte Teddy.
»So lob ich es mir«, flüsterte der Direktor.
Teddy stellte sich breitbeinig hin, das Blut rauschte ihm durch die Arme.
»Ja, ja«, flüsterte der Direktor. »Zum Freunde wurd’ die Kette mir.«
»Was?« Teddy merkte, dass auch er wisperte. In seinem Körper vibrierte ein sonderbares Summen.
»Das ist von Byron«, erklärte der Direktor. »Die Zeile werden Sie nicht vergessen, was?«
Teddy lächelte, und der Mann trat einen Schritt zurück. »Sie sind wirklich einzigartig, Direktor, nicht wahr?«
Ein schmales Lächeln, wie das von Teddy.
»Er findet es in Ordnung.«
»Was ist in Ordnung?«
»Was Sie hier machen. Ihr kleines Endspiel. Er hält es für relativ harmlos. Ich dagegen nicht.«
»Nein?«
»Nein.« Der Direktor ließ den Arm sinken und ging ein paar Schritte weiter. Er verschränkte die Arme auf dem Rücken und drückte das Buch gegen das Gesäß. Dann drehte er sich um, spreizte die Beine wie beim Militär und schaute Teddy streng an. »Sie haben gesagt, Sie hätten einen Spaziergang gemacht, aber ich weiß es besser. Ich kenne Sie, mein Sohn.«
»Wir haben uns gerade erst kennen gelernt«, widersprach Teddy.
Der Direktor schüttelte den Kopf. »Unser Schlag kennt sich seit Jahrhunderten. Ich kenne Sie bis ins Mark. Und ich finde Sie jämmerlich. Wirklich.« Er schürzte die Lippen und betrachtete seine Schuhe. »Das ist schon in Ordnung. Jämmerlich für einen Mann, aber in Ordnung, weil es keine Auswirkung auf mich hat. Aber ich halte Sie auch für gefährlich.«
»Jeder Mensch hat das Recht auf eine eigene Meinung«, sagte Teddy.
Der Direktor wurde rot im Gesicht. »Nein, hat er nicht. Menschen sind dumm. Sie essen, trinken, sondern Gase ab, huren herum und zeugen Kinder, und letzteres ist besonders
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