Shutter Island

wird es kommen, sagen: ›Na klar. Er konnte einfach nicht mehr. Irgendwann war Schluss. Kann man doch verstehen. Erst der Krieg. Und dann die Sache mit seiner Mutter – oder mit wem auch immer – dieses furchtbare Ende.‹ Ja, gibt es so was bei Ihnen?«
    »Das könnte man von jedem behaupten«, sagte Teddy.
    »Nun, darum geht’s ja gerade. Verstehen Sie das nicht? Natürlich könnte man das von jedem behaupten, aber man wird es von Ihnen behaupten. Wie steht’s mit Ihrem Kopf?«
    »Meinem Kopf?«
    Sie kaute auf der Unterlippe und nickte mehrmals. »Das runde Ding auf Ihrem Hals, ja. Wie geht’s dem? In letzter Zeit seltsame Träume?«
    »Allerdings.«
    »Kopfschmerzen?«
    »Ich habe öfter Migräne.«
    »O Gott. Bloß das nicht.«
    »Doch.«
    »Haben Sie Tabletten genommen, seit Sie hier sind, auch wenn es nur Aspirin war?«
    »Ja.«
    »Fühlen Sie sich vielleicht ein wenig angeschlagen? Als seien Sie nicht ganz der Alte? Ach, nichts Besonderes, werden Sie sagen, ich fühle mich nur ein bisschen durch die Mangel gedreht. Möglich, dass Ihr Kopf nicht ganz so schnell arbeitet wie sonst. Aber Sie haben nicht gut geschlafen in den letzten Tagen, haben Sie eben gesagt. Ein anderes Bett, ein anderer Ort, der Sturm. Das reden Sie sich ein. Stimmt’s?«
    Teddy nickte.
    »Ich nehme an, Sie haben in der Kantine gegessen. Den Kaffee getrunken, den man Ihnen angeboten hat. Sagen Sie mir wenigstens, dass Sie Ihre eigenen Zigaretten geraucht haben.«
    »Die von meinem Kollegen«, gab Teddy zu.
    »Von den Ärzten oder Pflegern haben Sie keine bekommen?«
    Teddy fühlte die Zigaretten, die er abends beim Pokern gewonnen hatte, in der Hemdtasche. Ihm fiel ein, dass er am Tag ihrer Ankunft eine von Cawley angenommen und der Tabak süß geschmeckt hatte.
    Sie las die Antwort in seinem Gesicht.
    »Es dauert durchschnittlich drei, vier Tage, bis neuroleptische Narkotika eine wirksame Konzentration im Blut erreichen. In der Zeit bemerkt man ihre Wirkung kaum. Manche Patienten haben Anfälle. Diese Anfälle werden häufig als Migräne fehlinterpretiert, besonders wenn der Patient schon vorher an Migräne litt. Jedenfalls sind diese Anfälle selten. Meistens ist lediglich feststellbar, dass der Patient –«
    »Nennen Sie mich nicht Patient.«
    »– intensiver und länger träumt als sonst. Oft sind die Träume miteinander verbunden, der eine trägt den nächsten huckepack, bis sie Ihnen vorkommen, als hätte Picasso einen Roman geschrieben. Weiterhin kann man feststellen, dass sich der Patient ein wenig, sagen wir, vernebelt fühlt. Seine Gedankengänge sind schlechter nachvollziehbar. Aber er hat ja nicht gut geschlafen, Sie wissen schon, die ganzen Träume, da kann man ihm wohl nachsehen, dass er ein bisschen träge ist. Und noch etwas, Marshal, ich habe nicht Sie gemeint, als ich von Patienten sprach. Noch nicht. Das war allgemein gesagt.«
    »Wenn ich von jetzt an kein Essen, keinen Kaffee, keine Zigaretten und Tabletten mehr annehme, wie viel Schaden ist bereits entstanden?«
    Sie schob sich das Haar aus dem Gesicht und drehte es im Nacken zu einem Knoten. »Ein ziemlich großer, leider.«
    »Angenommen, ich kann die Insel erst morgen verlassen. Angenommen, die Medikamente beginnen zu wirken. Woran merke ich das?«
    »Die auffälligsten Indikatoren sind ein trockener Mund, der paradoxerweise mit übermäßigem Speichelfluss einhergeht und, ach ja, Lähmungserscheinungen. Sie werden anfangen, geringfügig zu zittern. Es beginnt an der Daumenwurzel, greift für eine Weile auf den Daumen über und bemächtigt sich dann der ganzen Hand.«
    Bemächtigt sich.
    »Was noch?«, fragte Teddy.
    »Lichtempfindlichkeit, linksseitige Kopfschmerzen, Artikulationsschwierigkeiten. Sie werden anfangen zu stottern.«
    Teddy hörte den Ozean, die hereinbrechende Flut gegen die Felsen schlagen.
    »Was geht im Leuchtturm vor?«, fragte er.
    Sie schlang die Arme um sich und beugte sich zum Feuer vor. »Da wird operiert.«
    »Operiert? Das kann man doch im Krankenhaus machen.«
    »Sie operieren am Gehirn.«
    »Das geht auch im Krankenhaus«, erwiderte Teddy.
    Sie starrte in die Flammen. »Das sind Experimente, keine Operationen. Nicht die von der Sorte ›Klappen wir den Schädel auf und reparieren das‹. Nein, nein. Was im Leuchtturm gemacht wird, heißt: ›Klappen wir den Schädel auf und gucken mal, was passiert, wenn wir an dieser Strippe ziehen‹. Das ist die illegale Version, Marshal. Die von den Nazis.« Sie lächelte ihn an. »Im