Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Shutter Island

Titel: Shutter Island Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Lehane
Vom Netzwerk:
bedauernswert, weil die Welt deutlich besser wäre, wenn es weniger Menschen gäbe. Zurückgebliebene, Lumpengesindel, Verrückte, Menschen ohne Moral – das bringen wir hervor. Damit beschmutzen wir die Erde. Im Süden versuchen sie jetzt, die Nigger in der Spur zu halten. Aber ich will Ihnen was sagen, ich bin eine Zeit lang im Süden gewesen, und da unten sind alle Nigger, mein Sohn. Weiße Nigger, schwarze Nigger, Frauennigger. Überall Nigger, genauso überflüssig wie zweibeinige Hunde. So ein Hund kann wenigstens noch hin und wieder eine Spur erschnüffeln. Sie sind ein Nigger, mein Sohn. Sie sind von niederem Schlag. Ich kann es riechen.«
    Die Stimme des Direktors war nun überraschend hell, fast weiblich.
    »Na«, sagte Teddy, »ab morgen brauchen Sie sich ja nicht mehr mit mir herumzuschlagen, nicht wahr?«
    Der Direktor grinste. »Nein, mein Sohn.«
    »Dann sind Sie und die Insel mich los.«
    Der Direktor machte zwei Schritte auf Teddy zu, sein Lächeln verschwand. Mit seinen Säuglingsaugen hielt er Teddys Blick stand.
    »Sie werden nirgendwohin gehen, mein Sohn.«
    »Da bin ich anderer Meinung.«
    »Meinetwegen.« Der Direktor beugte sich vor und schnupperte erst an Teddys linkem, dann an seinem rechten Ohr.
    »Und? Gibt’s da was zu riechen?«, fragte Teddy.
    »Hm, ja.« Der Direktor lehnte sich zurück. »Riecht mir nach Angst, mein Sohn.«
    »Dann möchten Sie sich jetzt wahrscheinlich duschen«, sagte Teddy. »Die Scheiße abwaschen.«
    Eine Weile sprach keiner der beiden, dann sagte der Direktor: »Denk an die Ketten, Nigger. Das sind deine Freunde. Du sollst wissen, dass ich mich schon sehr auf unseren letzten Tanz freue. Ah«, machte er, »was wird das für ein Blutbad geben.«
    Damit ging er auf sein Haus zu.
     
    Das Pflegerwohnheim war leer. Nicht eine Menschenseele da. Teddy ging hoch zu seinem Zimmer und hängte den Regenmantel in den Wandschrank. Er suchte nach Hinweisen, dass Chuck zurückgekommen war, fand aber keine.
    Er überlegte, ob er sich aufs Bett setzen sollte, wusste aber, dass er sofort einschlafen und wohl nicht vor dem nächsten Morgen aufwachen würde. Stattdessen ging er nach unten in den Waschraum, spritzte sich kaltes Wasser ins Gesicht und kämmte die kurzen Haare mit einem nassen Kamm nach hinten. Die Knochen taten ihm weh, sein Blut floss so zäh wie Malzmilch, die Augen lagen tief in den Höhlen und waren rot umrandet. Seine Haut war grau. Er spritzte sich noch mehrmals kaltes Wasser ins Gesicht, dann trocknete er sich ab und begab sich nach draußen auf den Hof.
    Niemand da.
    Es wurde tatsächlich langsam wärmer, die Luft war schwül und stickig, Grillen und Zikaden hatten ihre Stimmen wiedergefunden. Teddy schlenderte in der Hoffnung umher, dass Chuck vor ihm eingetroffen war und nun dasselbe tat: herumlaufen, bis er auf Teddy stieß.
    Am Tor stand der Wachmann, und in den Zimmern brannte Licht, aber es war niemand zu sehen. Teddy schlenderte zum Krankenhaus hinüber, stieg die Stufen hoch und zog an der Tür. Sie war verschlossen. Teddy hörte Türangeln quietschen und sah, dass der Wärter durch das Haupttor nach draußen gegangen war, um sich zu seinem Kollegen auf der anderen Seite zu gesellen. Das Tor schlug wieder zu, und Teddy hörte, wie sich die Schritte des Wärters entfernten.
    Kurz setzte sich Teddy auf die Treppe. So viel zu Noyces Theorie. Im Moment war er ohne jeden Zweifel völlig allein. Eingesperrt, ja. Aber, soweit er wusste, auch unbeobachtet.
    Er ging zur Rückfront des Krankenhauses und freute sich, einen Pfleger auf dem hinteren Treppenabsatz sitzen und eine Zigarette rauchen zu sehen.
    Teddy steuerte auf ihn zu, und der junge Mann, ein schlanker, athletischer Schwarzer, schaute auf. Teddy zog eine Zigarette aus der Tasche und sagte: »Feuer?«
    »Klar.«
    Teddy beugte sich vor, der Pfleger gab ihm Feuer, Teddy lächelte dankend, lehnte sich zurück und dachte an das, was die Frau ihm über das Rauchen der Zigaretten gesagt hatte. Langsam blies er den Qualm aus, ohne zu inhalieren.
    »Wie geht’s denn so heute Abend?«, fragte er.
    »Ganz gut. Und bei dir?«
    »Auch gut. Wo sind die eigentlich alle?«
    Der junge Mann wies mit dem Daumen hinter sich. »Da drin. Irgend so ’ne wichtige Besprechung. Keine Ahnung, um was es geht.«
    »Alle Ärzte und Krankenschwestern?«
    Der junge Mann nickte. »Sogar ein paar Patienten. Die meisten Pfleger sind auch dabei. Ich muss an der Tür hier bleiben, weil der Riegel nicht richtig funktioniert. Aber

Weitere Kostenlose Bücher