Shutter Island
zuckte Teddy mit den Schultern. »Wenn’s drauf ankommt, und er gibt Ihnen Anweisungen, dann würden Sie loshoppeln.«
»Was würde ich?«
»Loshoppeln. Wie ein Kaninchen.«
Trey fuhr sich mit der Hand über die Wange und sah Teddy mit ungläubigem Grinsen an.
»Das meine ich nicht böse«, sagte Teddy.
»O nein, natürlich nicht.«
»Ich hab bloß gemerkt, dass die Leute sich hier ihre eigene Wahrheit zurechtbasteln. Wenn irgendwas nur oft genug behauptet wird, dann stimmt es irgendwann.«
»Ich arbeite nicht für diesen Mann.«
Teddy wies mit dem Finger auf Trey. »Genau, das ist die Wahrheit, die ich kenne und liebe.«
Trey sah aus, als würde er sich jeden Moment auf Teddy stürzen.
»Sehen Sie«, sagte Teddy, »heute Abend war eine Besprechung. Anschließend kommt Dr. Cawley zu mir und sagt, ich hätte nie einen Kollegen gehabt. Und wenn ich Sie nun frage, werden Sie mir dasselbe sagen. Sie werden leugnen, dass Sie mit dem Mann zusammengesessen und Poker gespielt haben, dass Sie mit ihm gelacht haben. Sie werden leugnen, dass er zu Ihnen gesagt hat, Sie hätten Ihrer gemeinen alten Tante einfach weglaufen sollen. Sie werden leugnen, dass er jemals in diesem Bett hier geschlafen hat. Stimmt’s, Mr. Washington?«
Trey sah zu Boden. »Ich weiß nicht, wovon Sie sprechen, Marshal.«
»Ist mir klar. Ich hatte nie einen Kollegen. Das ist die neue Wahrheit. Wurde so entschieden. Ich hatte nie einen Kollegen, und er ist nicht irgendwo hier auf dieser Insel – verletzt oder tot. Oder auf Station C oder im Leuchtturm. Ich hatte nie einen Kollegen. Sprechen Sie mir das bitte nach, nur damit wir uns richtig verstehen! Ich hatte nie einen Kollegen. Na, los. Versuchen Sie’s!«
Trey sah auf. »Sie hatten nie einen Kollegen.«
»Und Sie arbeiten nicht für den Direktor«, fügte Teddy hinzu.
Trey hielt die Knie umklammert. Teddy sah, dass es an ihm nagte. Treys Augen wurden feucht, sein Kinn zitterte.
»Sie müssen hier raus«, flüsterte er.
»Das ist mir klar.«
»Nein.« Heftig schüttelte Trey den Kopf. »Sie haben nicht die geringste Ahnung, was hier wirklich vor sich geht. Vergessen Sie, was Sie gehört haben. Vergessen Sie, was Sie zu wissen glauben. Die werden Sie holen. Und was dann mit Ihnen gemacht wird, das ist unwiederbringlich. Dann gibt es kein Zurück mehr, nichts.«
»Sagen Sie’s mir«, forderte Teddy, aber Trey schüttelte wieder den Kopf. »Sagen Sie mir, was hier los ist.«
»Das kann ich nicht. Wirklich nicht. Sehen Sie mich an!« Trey zog die Brauen hoch, seine Augen weiteten sich. »Ich – kann – es – nicht. Sie sind auf sich gestellt. Und ich würde auf keine Fähre warten.«
Teddy schmunzelte. »Ich komme noch nicht mal aus dieser Anstalt, von der Insel ganz zu schweigen. Und selbst wenn ich das könnte, ist mein Kollege –«
»Vergessen Sie Ihren Kollegen!«, zischte Trey. »Er ist weg. Verstanden? Der kommt nicht zurück, Mann. Sie müssen abhauen. Sie dürfen nur noch an sich selbst denken, an niemanden sonst!«
»Trey«, sagte Teddy, »ich bin eingesperrt.«
Trey stand auf und ging zum Fenster. Er schaute hinaus in die Dunkelheit oder betrachtete sein Spiegelbild.
»Sie dürfen nie wieder herkommen. Sie dürfen niemandem erzählen, dass ich Ihnen was gesagt habe.«
Teddy wartete.
Trey sah sich über die Schulter um. »Ist das klar?«
»Klar«, entgegnete Teddy.
»Die Fähre kommt morgen um zehn. Punkt elf legt sie wieder ab. Wenn man sich draufschmuggeln kann, schafft man es vielleicht rüber in den Hafen. Ansonsten müsste man zwei, drei Tage warten, dann kommt ein Trawler namens Betsy Ross , der ziemlich nah an die Südküste ranfährt und so ’n paar Sachen über Bord wirft.« Trey sah Teddy an. »Sachen, die man hier nicht haben darf. Aber der Trawler bleibt weiter draußen. Man müsste rausschwimmen.«
»Ich schaffe keine drei Tage auf dieser Scheißinsel«, sagte Teddy. »Ich kenne die Gegend nicht. Der Direktor und seine Leute aber umso besser. Die finden mich.«
Trey schwieg eine Weile.
»Dann die Fähre«, sagte er schließlich.
»Also die Fähre. Aber wie komme ich aus der Anstalt raus?«
»O Mann«, sagte Trey. »Sie müssen’s nicht glauben, aber heute ist echt Ihr Glückstag. Der Sturm hat alles kaputt gemacht, vor allem die Elektrik. Die meisten Drähte auf der Mauer haben wir inzwischen repariert. Aber nicht alle.«
»Wo sind Sie noch nicht gewesen?«, fragte Teddy.
»In der südwestlichen Ecke. Wo die Mauern im Neunzig-Grad-Winkel
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