Shy Black – Detektiv mit allen Sinnen (Romantica-Novellenreihe) (German Edition)
späten Vormittag herrschte hier kein Flugbetrieb mehr.
„Wieso nicht?“ Irvines Stimme klang fast enttäuscht.
Jetzt blickte Shy ihm doch direkt in die Augen. „Na, du kennst dich doch perfekt mit Büroarbeit aus, oder? Und mit Menschen kannst du auch umgehen. Ich selbst würde mich dann mehr dem Außendienst widmen. Das Einzige, was du noch lernen musst, ist, mit einer Waffe umzugehen.“
Irvine verzog angewidert das Gesicht. Shy lachte kurz und hart auf. Ihm kamen gerade ernsthafte Zweifel, ob dieser hübsche Knabe jemals auf etwas Lebendiges schießen würde. „Glaub mir, du wirst es brauchen. Dass wir Montoyas Häschern bislang entkommen sind, war reine Glückssache. Eine Waffe braucht man in unserem Job, und sei es nur zur Beruhigung!“
Wer´s glaubt.
Der Vibrationsalarm von Shys Handy meldete ihm einen Anruf. Die Nummer von Detective stand auf dem Display. Shy nahm an und meldete sich kurz mit Namen.
„Ich nehme an, Sie wollen mir immer noch nicht sagen, wo Sie sind und was Sie vorhaben?“, kam Woods murrende Stimme aus dem Hörer.
„Nur, wenn Sie mich ganz lieb bitten“, grinste Shy frech.
„Okay. Ich werde Ihnen trotzdem eine erfreuliche Mitteilung machen. Oder besser gesagt zwei: Montoya sitzt gerade bei uns in Untersuchungshaft, und Richard Norton wurde völlig dehydriert in der alten Minenstadt geborgen. Ansonsten ist er unverletzt. Er befindet sich gerade im Las Vegas County Hospital.“
„Das wird Mrs. Lakehurst sicher freuen“, meinte Shy gelassen und zwinkerte dem verdutzten Irvine neben sich zu. „Eigentlich haben Sie noch eine dritte gute Nachricht vergessen.“
„Welche?“
„Mit Norton haben Sie einen weiteren Zeugen für die Entführung. Es wäre besser, Sie stellen ihn unter Polizeischutz.“ Shy malte sich im Geiste aus, wie sich Woods gerade auf die Zunge biss, um nicht zugeben zu müssen, dass er an diese Möglichkeit noch gar nicht gedacht hatte. Trotzdem war Nora Lakehurst nach wie vor wertvoll für die Staatsanwaltschaft, um Ricardo Montoya letztendlich zu verurteilen.
Nachdem er aufgelegt hatte, wandte sich Shy zu Nora um. Diese hatte dem Gespräch interessiert gelauscht. Er berichtete ihr von der Rettung ihres geliebten Richard. Sie schluchzte erleichtert auf und barg ihr Gesicht in beiden Händen. Eine Sorge weniger.
„Ist es jetzt überhaupt noch notwendig, sie wegzu-bringen?“, fragte Irvine, der seine ehemalige Chefin noch nie so verletzlich gesehen hatte. An Elias Seite war sie stets kühl und unnahbar erschienen. In sich zurückgezogen hatte sie kaum ein Wort mit ihm gewechselt. Den Sohn des Ehepaares kannte er überhaupt nur von Fotografien, die im Wohnzimmer auf dem Kaminsims standen. Ein netter, dunkelblonder Junge mit Noras schönen Augen. Hier und jetzt tat sie ihm leid. Er ahnte, dass er weder seinen Chef noch sie jemals richtig gekannt hatte. Sie hatten ihm eine perfekte Familie vorgespielt.
„Natürlich, zu ihrem eigenen Schutz. Montoyas Killer sind immer noch auf freiem Fuß und je weniger Zeugen es für seine Verbrechen gibt, desto besser“, erwiderte Shy.
Das Brummen eines Propellermotors näherte sich schräg von oben. Eine Maschine befand sich im Landeanflug. Shy blickte zum Flugfeld hinüber. „Das ist sie“, rief er aus, als ein kleiner weißer Punkt am Horizont immer größer wurde.
„Wer?“ kam es fast gleichzeitig aus Noras und Irvines Mund.
„Die Cessna von King. In einer halben Stunde kommen wir endlich von hier weg.“ Mit diesen hoffnungsvollen Worten drehte Shy den Schlüssel des Anlassers herum und fuhr langsam zu den Hangars hinüber. Derweil hatte die Maschine aufgesetzt und rollte aus. Seltsamerweise bewegte sie sich jedoch nicht zur Tankstation, sondern wendete und stellte sich auf einen Taxiway in Warteposition. Der Propeller lief auf niedrigster Stufe, soviel erkannte Shy beim Näherkommen sofort. Warum wollte Moses sofort wieder los? Er war doch sonst nicht der Typ, der sich hetzen ließ?, fragte er sich im Stillen. Der Privatdetektiv parkte den Wagen etwa fünfzig Meter von der wartenden Maschine entfernt und zu dritt liefen sie auf die Cessna zu, die in weiß-blauem Lack in der Sonne glänzte. Von innen wurde die Kabine geöffnet. „Schön, euch alle wohlauf zu sehen“, rief ihnen Moses mit seltsam heiserer Stimme zu. „Mrs. Lakehurst, steigen Sie bitte zuerst ein.“
Shy half erst der jungen Frau und dann Irvine in das Cockpit der viersitzigen Maschine. Er wollte gerade selbst einsteigen, als er den
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