Shy Black – Detektiv mit allen Sinnen (Romantica-Novellenreihe) (German Edition)
die angrenzenden Ländereien überschreiben, wie versprochen“, verkündete er schließlich mit fester Stimme und griff nach einem Lederbeutel voller Goldstücke, die er dem Pater zuwarf. Dieser fing ihn geschickt auf und verbarg ihn rasch unter der schwarzen Kutte. Er verneigte sich voller Ehrerbietung.
„Was ist, wenn Ihr seiner nicht bedürft?“, fragte er mit listigem Blick, als er den Kopf wieder hob. Wilhelm von Oranien blickte ihn mit durchdringenden blauen Augen an. Die Liebelei mit der bildhübschen Hofdame Dorothea von Anrath würde ihn teuer zu stehen kommen.
„Dann behaltet ihn.“ Wilhelm von Oranien unterstrich diese Worte durch eine abwertende Geste. Schnell wurde ihm klar, dass er einen Fehler gemacht hatte. Sein Blut war zu wertvoll, um hinter Klostermauern bei Keuschheit und kargem Essen zu versauern!
Pater Clement verneigte sich erneut und wollte sich diskret zurückziehen, um seine Reisevorbereitungen zu treffen, als ihn die harsche Stimme des Machthabers zurückrief: „Wartet!“ Der Mönch tat wie ihm geheißen.
„Um nochmal auf Eure Frage zurückzukommen: Sollte ich seiner nicht bedürfen, dann bringt ihn zum Hofe des Königs von Frankreich, unserem Verbündeten. Seiner Abstammung entsprechend möge er einer der Höflinge werden, doch bewahrt jederzeit Stillschweigen über seine Abstammung!“ Die letzten Worte waren als Warnung ausgesprochen worden. „Selbstverständlich, Euer Gnaden! Haben Euer Gnaden vielleicht einen Wunsch in Bezug auf seine Namensgebung?“ Der Herzog überlegte kurz. „Er soll Jarin heißen!“, befahl er dann und winkte seinen Beichtvater hinaus.
Wieder verneigte sich der Pater und machte sich nun endgültig auf den Weg. In dieser Nacht verließ eine zweispännige Reisekutsche die Burg des Herzogs. Darin saßen Pater Clement und die Hebamme. Sie brachten den Beweis für die Untreue des Herzogs gegenüber seiner Ehefrau Cecilie außer Landes, die selbst erst vor wenigen Monaten ein Kind zur Welt gebracht hatte – einen rechtmäßigen Thronfolger!
* * *
Siebzehn Jahre später.
Jarin – unehelicher Sohn des Herzogs von Oranien - diente immer noch als Adelspfand. Sein Vater ließ seinen rechtmäßigen Sohn Arian als Thronfolger und Heerführer erziehen. Sollte Arian vor seiner Krönung etwas zustoßen, so gäbe es immer noch einen „Ersatzsohn“, von dem niemand etwas wusste außer ihm, dem Erzbischof und den Padres, die Jarin großzogen. Die Hebamme aus Frankreich würde Stillschweigen bewahren. Anderenfalls wäre sie des Todes. Die Jesuiten hatten den Jungen und einige andere Schüler wohlhabender Adeliger und Kaufleute in allen bekannten Wissenschaften, der Kampfkunst und einigen Sprachen unterrichtet. Seiner Bildung und Erziehung nach würde er somit in jedem Herrscherhaus willkommen sein. Aber wäre das wirklich sein Wunsch? In Kürze würde er sich entscheiden müssen, ob er weiterhin im Kloster bleiben wollte oder – dem Wunsch seines ihm unbekannten Vaters nach – am Hofe des Königs von Frankreich vorgestellt werden und eventuell als Höfling dienen sollte. Wieso redeten alle immer nur vom‚ dienen‘? Jarin war nicht der Typ dafür. Sein unbeugsamer Wille unter dem goldblonden, leicht gewellten Haar war es, der seinen schlanken Körper zu einem geschmeidigen Kämpfer trainiert hatte.
Wenn er die Schafe des Klosters hütete, deren Wolle die Mönche auf den Märkten der umliegenden Dörfer verkauften, dann hatte er Zeit und Muße, mit selbstgebastelten Holzschwertern zu hantieren und gegen imaginäre Feinde und Ungeheuer zu kämpfen. Der Glanz des Hofes lockte ihn nicht.
Ab und zu träumte er sich in ferne Länder und nahm in Gedanken an einem der legendären Kreuzzüge teil, von denen die alten Bücher in der Klosterbibliothek erzählten. Er spürte deutlich, dass er nicht hierher gehörte. Dieses abgelegene Kloster in den Ardennen konnte ihm weder Heimat noch Zukunft sein. Er spürte tief in seinem Inneren, dass er zu anderen Dingen berufen war. Doch, wie jeder junge Mann seines Alters, war ihm sein Weg noch nicht bewusst und sein ganzes Leben erschien ihm als ein einziges großes Fragezeichen.
Alles änderte sich an jenem kalten Wintermorgen, als einer der Jesuitenpater von einer langen Reise zurückkehrte. Er ritt auf einem mageren, braunen Gaul, hinter ihm trottete ein überladenes, müdes Packpferd. Dahinter folgte ein Esel, auf dem eine verhüllte Gestalt in zerrissenen Gewändern hockte. Der Atem der beiden Reiter und der Tiere
Weitere Kostenlose Bücher