Sibirisches Roulette
…«
»Meteljew?« Jugorow sah Krasnikow fragend an. »Babrak Awdejewitsch ist mit dem Rad unterwegs?«
»Ja –«, antwortete Krasnikow kurz.
»Wo wollte er denn hin? Nach Lebedewka? Wohin soll man hier sonst noch fahren?«
»Fragt man mich das?!« Noskow holte mächtig Atem. »Wer fragt mich, wozu ich mein Fahrrad brauche? So lange kann keiner vögeln wie Meteljew. Und mich bringt er darum! Genosse Krasnikow, was wissen Sie mehr? Wohin ist er gefahren? Was hat er beim Weggehen gesagt?«
»Nichts. Daß er ein Fahrrad nimmt, habe ich nicht gewußt.« Krasnikow warf einen Seitenblick auf Jugorow. Er und Walja waren schon seit langem wieder im Lager, und Meteljew kam nicht zurück. Durch Krasnikow lief ein kalter Hauch. Denk nicht daran … unmöglich ist es, was du denkst, sagte er sich. Nicht bei Meteljew und nicht hier.
»Du hast ihn nicht gesehen?« fragte er Jugorow.
»Nein. In der Kirche waren wir. Und nach der Kirche habe ich für meine Hunde das Fressen zusammengebettelt. Beschämend war das, Victor Ifanowitsch. Für die Hunde, das ja, haben sie gesagt. Aber für euch? Keinen Krümel! Korolew hat euch ohnehin schon zu viel gegeben. Macht, daß ihr wegkommt nach Tobolsk, da hängen die Ferkelchen am Haken – nicht bei uns.« Jugorow hob die Schultern. »Wir haben Meteljew nirgendwo im Dorf gesehen. Wie auch, wenn er mit einem Weibchen im Wald liegt?«
»Auch dann wär's jetzt genug!« schrie Noskow. »Hat sich zu sehr angestrengt, was? Das Herz platzte auseinander … liegt tot herum … mit meinem Fahrrad! Nur das ist eine Entschuldigung, nur das!«
Mit einem langen Blick sah Krasnikow fragend zu Jugorow hinüber. Eine stumme Frage, die Jugorow sofort verstand. Er schüttelte ebenso stumm den Kopf.
»Denk an Masuk, Igor Michailowitsch«, sagte Krasnikow mit gepreßter Stimme.
»Unmöglich! Meteljew hat keine Feinde. Für alle in Lebedewka seid ihr Freunde. Die Geiseln habt ihr befreit, euch stehen alle Häuser offen. Ist's nicht so?«
»Ja …«, antwortete Krasnikow durch die Zähne.
»Warum sollte Meteljew etwas geschehen sein?«
»Der ›Spezialist‹ …«, sagte Krasnikow heiser. Ein schweres Gefühl klemmte ihm beinahe den Herzschlag ab.
»Wenn's den gibt, dann ist auch er euer Freund. Ihr habt seine Leute gerettet. Welch ein Glück, wenn Meteljew den Unbekannten getroffen hat … Dann kennen wir ihn jetzt.«
»Ja, welch ein Glück.« Krasnikow schluckte die Bitterkeit hinunter, die in ihm hochstieg. »Ich suche ihn …«
»Mein Rad suchen Sie, Genosse. Das ist mir wichtiger!« schrie Noskow. »Ich will mein Rad wiederhaben!«
»Kommst du mit, Igor Michailowitsch?« fragte Krasnikow bedrückt. »Nehmen wir Waljas Jeep?«
»Natürlich komme ich mit, Victor Ifanowitsch.« Jugorow blickte auf das Schachbrett. Die dritte Partie. Dreimal remis. Krasnikow war ein ausgezeichneter Schachspieler, ein großer Taktiker, ein blendender Rechner. Beim Schachspiel ist das nützlich, beim Roulette hat's keinen Sinn. Die Kugel rollt, wie es der Zufall will – auch beim sibirischen Roulette, Genosse Offizier von der GRU. Heute Meteljew, morgen du oder ich … das weiß keiner. Solange wir spielen, opfern wir uns dem Schicksal.
Sie gingen zu Waljas Jeep, gefolgt von Noskow, der einen Gesang anstimmte, welche Strafe es sei, ein Fahrrad zu besitzen. In der Wagenhalle stand das Auto, gewaschen und poliert, soweit das bei einem Jeep möglich ist.
»Welche Sauberkeit!« sagte Krasnikow anzüglich.
»Sonntag, Victor Ifanowitsch.«
»Als ob er heute gar nicht an der Kirche gewesen wäre.«
»Das ist Waljas Tick; einen Sauberkeitswahn hat sie. Kommt wohl vom Arztberuf: Immer die Hände waschen, nach jedem Patienten … einmal muß die Haut runter sein, habe ich schon gesagt.« Jugorow stieg ein, der Schlüssel steckte im Schloß, und wartete, bis Krasnikow neben ihm saß. »Wohin?«
»Weiß ich das?«
»Meteljew hatte doch ein Ziel, als er das Fahrrad holte.«
»Es sieht so aus.«
»Wo soll man mit dem Suchen anfangen, wenn man keine Ahnung hat, Krasnikow?«
»Fahren wir zunächst ins Dorf.«
»Da war Meteljew nicht. Man hätte mir's gesagt bei meinem Bettelgang.«
»Es muß doch einen geben, der ihn gesehen hat!« rief Krasnikow und hieb mit der Faust auf das Armaturenbrett.
»Und mein Fahrrad!« schrie hinter ihnen Noskow. »Ein Fahrrad hat nur Luft in den Reifen, aber ist nicht aus Luft. Das Fahrrad müßt ihr suchen!«
»So dämlich er ist, so recht hat er jetzt.« Krasnikow nickte
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