Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sibirisches Roulette

Sibirisches Roulette

Titel: Sibirisches Roulette Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
steht er, dachte Meteljew und knirschte mit den Zähnen. Jetzt brannte seine Hüfte, als läge er in einem Feuer. Der Knochen ist es, wußte er, der Knochen ist zertrümmert, die Hüfte – werde ich jemals wieder gehen können? Komm heraus, du feiger Hund, stell dich einem ehrlichen Kampf, aus dem Hinterhalt kann jeder treffen. Und dann dachte er plötzlich an die SPEZNA-Schule bei Gorkij, an die zum Tode Verurteilten, die sie Kukli genannt hatten, Puppen, und die man anschlich und erdrosselte, erdolchte, erwürgte – nur lautlos mußte es sein, schnell und gründlich. Nicht die geringsten Chancen hatten sie gehabt, und er hatte viel Lob dafür bekommen, die Kukli so vollendet getötet zu haben. Aus dem Hinterhalt, ohne sich vorher zu zeigen.
    »Ich bin hier!« rief Trofimow zu Meteljew hinunter. »Über dir, im Himmel.«
    Mit schmerzhafter Anstrengung warf sich Meteljew wieder herum, auf den Rücken, und starrte hinauf in die Bäume. Der Schmerz füllte seinen ganzen Körper, die Bäume verschwammen und begannen zu tanzen.
    »Wo?« keuchte Meteljew. »Wo? Hilf mir … hilf mir doch … Nichts mehr tun kann ich. Da … da sieh …« Er warf die Pistole von sich und stützte sich im Liegen ab. Ein Hieb des Schmerzes trieb ihn wieder zurück.
    »Was hast du hier gesucht?« fragte Trofimow von seinem Hochstand herab.
    »Laß mich hier nicht liegen!« schrie Meteljew heiser auf. »Wehrlos bin ich doch … willst du mich verrecken lassen? Hilf mir …«
    »Mein Name ist Gamsat Wladimowitsch Trofimow«, hörte er von oben. »Du kannst ihn wissen – du wirst ihn nie gebrauchen.«
    Trofimow. Der eine Name. Schwarzes Haus, das war der zweite. Hürchen war der dritte. Das Ziel lag vor ihm und er brannte; brannte von den Zehen bis zur Kopfhaut, brannte vor Schmerzen und konnte sich nicht bewegen.
    »Trofimow –«, keuchte Meteljew. Er versuchte, etwas zu erkennen, aber der Tanz der Bäume wurde zu einem grünen Wirbel vor seinen Augen. »Laß mich nicht verrecken.«
    »Bestimmt nicht, Genosse Geologe.«
    »Ich bin kein Geologe.«
    »Das weiß ich jetzt auch.«
    »Bring mich weg … ich erzähle euch alles. Ihr wißt nicht, was man alles plant. Trofimow, ich sage alles …«
    »Wem soll das nützen?«
    »Dem ›Spezialisten‹. Trofimow, laßt mich leben … laßt mich leben …«
    Seine Worte gingen in ein Wimmern über, er legte beide Hände auf die Brust, erkannte noch den Himmel über sich, aber die Wolken waren wie dicke Fäuste, die auf ihn herunterzielten.
    »Weißt du, wer der ›Spezialist‹ ist?« fragte Trofimow mit entsetzlicher Ruhe.
    »Nein! Wir suchen ihn. Ich weiß, er ist da hinter dem Wald … Vergessen will ich alles … bring mich weg … hilf mir doch!«
    »Der große Unbekannte heißt Igor Michailowitsch Jugorow …«
    »Jugorow?« Noch einmal zuckte Meteljew hoch. »Er … er …? Unser … unser Freund Igor. Warum … warum verrätst du ihn?«
    »Du wirst den Namen vergessen, Freundchen, für immer vergessen.«
    »Ich verspreche es dir. Ich schwöre es …« Und plötzlich verstand Meteljew den Doppelsinn der Worte, hob beide Arme in den Himmel und schrie: »Nein, Trofimow. Nein, tu es nicht. Hab Mitleid … Mitleid … ich will nicht mehr Meteljew heißen … nicht wissen will ich mehr, was ich gewesen bin … Tu es nicht …«
    Ein Aufschrei war das, ein kaum noch menschlicher Laut aus Angst und Verzweiflung.
    »Meteljew bist du? Sieh an! Jugorow hat von dir erzählt. Nichts Gutes, muß ich feststellen.« Trofimow legte das Gewehr an, und jetzt zielte er auf den Punkt, so wie er im Winter das Wild jagte. »Grüß mir die Hölle, Meteljew … ich komme nach, mußt noch ein wenig warten, muß erst mein Töchterchen gut versorgen, dann sehen wir uns wieder. Halt ein gutes Plätzchen für mich frei …«
    »Trofimow!« schrie Meteljew mit sich überschlagender Stimme auf.
    Sein Schrei zerplatzte mit dem Eindringen der Kugel in seine Stirn. Genau zwischen die Augen.
    Trofimow hatte noch nie vorbeigeschossen.
    Er sicherte wieder sein Gewehr, stieg von seinem Hochsitz, ging zu Meteljew, hob dessen Pistole auf und betrachtete sie mit großem Staunen.
    So trafen ihn Jugorow, Walja, Soja und der junge Beljakow an, als sie mit Gewehren in der Hand aus dem Unterholz brachen. Die Schüsse hatten im Schwarzen Haus Alarm ausgelöst: Svetlana und Marfa versteckten sich unter Brettern und Heu im Stall, die Männer griffen nach den Äxten, und so bedrückend ihre Lage war, sahen alle mit Verblüffung, daß auch

Weitere Kostenlose Bücher