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Sibirisches Roulette

Sibirisches Roulette

Titel: Sibirisches Roulette Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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preßte ihm jedesmal das Herz ab. Tjunin nickte verständig.
    »Ich ahne, was folgt, Valentin Valentinowitsch«, sagte er voll Mitgefühl.
    »Fast logisch war's, mein Freund. Mit einem Motorrad kann man kreuz und quer durch den Wald fahren, um die Bäume herum – mit einem Auto nicht! Soll ich's noch aussprechen, eine Qual ist das: Der Täter entkam! Wir sperrten sofort alle Straßen und Wege ab, im weiten Umkreis, nicht ein Marder wäre da durchgekommen; doch der Kerl blieb unsichtbar. Aber nun, eine Woche später, bei Djershawinsskoje am Unterlauf des Ischim, brennt das Lager der geologischen Gruppe VI ab. Sehen Sie hin, Anatoli, sehen Sie auf die Karte … der Weg nach Norden. Der verfluchte Hurensohn zieht unbeirrt seine Straße …«
    General Tjunin hatte sich wieder über die Karte gebeugt, betrachtete die roten Kreise, las die Daten und nickte mehrmals. »Einen genauen Plan hat er …« Mit einem Ruck blickte er auf und starrte Kulpakow entgeistert an. »Valentin Valentinowitsch … ich begreife, was Sie denken! Aber das ist unmöglich …«
    »Warum soll es unmöglich sein, Anatoli?«
    »Ein einzelner Mensch zieht die Trasse des Sib-Aral-Kanals entlang und zerstört alle Vorarbeiten? Ein einsamer Mensch kämpft gegen die Sowjetunion?! Ein Mann allein will das Jahrhundertwerk vernichten?! Ein Mann gegen eine ungeheure Maschinerie? Das ist doch Irrsinn!«
    »Aber er ist da, Anatoli Borisowitsch! Er sprengt und bombt! Dieser einsame Mensch, wie Sie ihn poetisch nennen, hat dem Staat schon Millionen Rubel Schaden zugefügt, hat die Leute aufgehetzt, zieht eine Spur aus zerstörtem Staatseigentum hinter sich her. Noch schlimmer: Wo er einmal war, hinterläßt er eine bestialische Saat, aus der man Blut erntet. Wenn er weitergezogen ist, beginnt in den Gebieten das Töten. Geologen, Ingenieure, Soldaten, Milizionäre, meine Männer … keiner ist mehr sicher. Ein Partisanenkampf ist's, als seien wir im Krieg! Und während wir die Hinterhältigen suchen, zieht er unerkannt weiter zum nächsten Objekt.« Kulpakow schnaufte wieder ergriffen, und Tjunin nickte ihm zu – voll Verständnis. »Wäre es eine Gruppe, wie wir erst dachten, wir hätten sie längst. Aber einen einzelnen Menschen? Suchen Sie mal einen Einzelgänger aus den zigtausend Werst vom Aralsee bis nach Tobolsk! Lenin aus dem Mausoleum zu stehlen wäre leichter.«
    »Und da soll ich Ihnen helfen?«
    »Ja. Sie, nur Sie haben die richtigen Männer. Ihre Sondertruppen sind berühmt. Nicht zu schmeicheln braucht man, um zu sagen: Ihre Erfolge in aller Welt sind ohne Beispiel. Denken wir nur an Afghanistan … an Nicaragua … Oh, mein lieber Anatoli, erröten Sie nicht wie eine gekitzelte Jungfrau … Ihre Sonderkommandos sind unerreicht auf der Welt.«
    »Er ist also jetzt hier«, sagte Tjunin und legte den Finger auf den letzten roten Kreis vor Tjumen. »Im Sumpfgebiet am Tobol. Zwischen Tjumen und Tobolsk. Er muß mit seinem Motorrad den Ischim hinuntergefahren sein.«
    »So dämlich ist er nicht. Das Motorrad fanden wir zwei Tage später hinter dem Wald, durch den er entkommen ist.«
    »Dann ist er mit einem Boot den Ischim hinunter.«
    »Ausgeschlossen. Der Fluß wurde natürlich auch sofort überwacht.«
    »Zu Fuß ist er weiter?« Tjunin sah Kulpakow zweifelnd an. »Das glauben Sie?«
    »Zu Fuß, von anderen mitgenommen, außerhalb des Sperrkreises mit dem Boot – wer weiß es? Jedenfalls ist er jetzt da; der Probedamm bei Lebedewka wurde gesprengt. Vor zwei Tagen! Denken wir logisch, mein Freund: Das nächste Ziel muß Tobolsk sein, die Zentrale der gesamten Bauplanung. Was er dort anrichten kann … mir wird übel bei dem Gedanken. Und keiner kann ihn aufhalten, weil er ein einzelner Mensch ist. Sieht aus wie Sie und ich oder tausend andere Menschen. Welche Möglichkeiten hat er! Schwindelig kann einem werden bei diesem Problem.«
    »Es ist wirklich eine große Aufgabe, Valentin«, sagte Tjunin, betrachtete noch einmal die Karte und legte dann die flache Hand darauf. »Keine langen Überlegungen: Ich helfe Ihnen! Morgen schicke ich ein Sonderkommando nach Nowo Gorodjina.«
    Kulpakow atmete tief auf. »Anatoli Borisowitsch, Sie sind ein wahrer Freund!« rief er aus. »An meine Brust möchte ich Sie ziehen …«
    »Lassen Sie lieber noch eine Karaffe Kognak kommen.« Tjunin hob wie abwehrend beide Hände, als wolle Kulpakow ihn wirklich an sich reißen und seine Rippen zerquetschen. »Ein herrlicher, weicher Grusinier ist das.« Er faltete die

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