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Sibirisches Roulette

Sibirisches Roulette

Titel: Sibirisches Roulette Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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auch das Maul! Mein armes Enkelchen! Was verschweigen Sie uns alles, Genossin Ärztin?!«
    Zum Jammern war's … die Beljakows waren nicht zu überzeugen, daß Walja mit innerer Anteilnahme gekommen war, um ihnen Trost zu spenden. Sie schlossen die Tür auf, ließen Walja mit einem gemeinsamen Knurren gehen und schlugen hinter ihr die Tür so heftig zu, daß sie glaubte, einen Stoß in den Rücken bekommen zu haben.
    Zum Jeep rannte sie zurück, warf sich auf den Sitz und startete, als sei der kleine Wagen eine Rakete. Hinter den Zäunen und in den Gärten standen die Frauen und Kinder und blickten ihr feindselig nach. Sie fuhr bis zu Masuks Haus, aber dort war niemand außer dem Gesellen, der grinsend sagte, Lew Andrejewitsch sei zu Korolew, dem Dorfältesten, gegangen, weil er eine Art Vision gehabt habe. Mehr kam aus ihm nicht heraus, und Walja Borisowna fuhr zu Korolew.
    Grigori Valentinowitsch saß noch immer am Tisch und rauchte unentwegt seine selbstgedrehten Zigaretten. Es roch nach verbranntem Heu im Raum; der Rauch war grünlich, Korolew zog sich das Kraut selbst im Garten und fermentierte es in einem Sud, dessen geheime Zusammensetzung nur er allein kannte. Kritisch wurde es immer, wenn er seine höllischen Zigaretten Bekannten anbot. Nicht beleidigen wollte man ihn, rauchte höflich drei Züge und spürte sie sofort im Darm. Den Rest der Zigarette ließ man verglimmen, mehr Höflichkeiten hätten Katastrophen ausgelöst. Korolew indessen schmeckte das Giftzeug; er mußte Lungen und Magen aus Blech haben.
    Eine gute Stunde war nun Jugorow aus dem Haus, und noch immer grübelte Korolew darüber nach, welch merkwürdiger Mensch dieser Kerl sein mochte, der sich ›Spezialist‹ nannte. Versucht hatte er auch, mit ›Wolf‹ eine Funkverbindung aufzunehmen, aber im Quartier von Filaret meldete sich niemand. So blieb die bedrückende Ungewißheit zurück: Ist Jugorow wirklich ein Freund oder gehört er zu jener schleimigen Sorte der KGB-Spitzel, die sich einschmeicheln und dann die angeblich besten Freunde verraten? Jugorow sah zwar nicht danach aus, aber sehen die Mörder immer wie Mörder aus? War nicht auch Nasarow ein stattlicher Mann und dennoch ein Schweinehund, ein Verdammter, ein Teufel, ein Oberteufel?!
    Korolew, dessen Tür immer offenstand, damit jedermann zu jeder Zeit zu ihm kommen und um Rat und Hilfe nachsuchen konnte, blickte auf, als er Schritte hörte. Auch bei ihm löste das Erscheinen von Walja Borisowna eine Art steifer Abwehr aus. Er erhob sich zwar von seiner Eckbank und legte die Zigarette aus der Hand, aber mehr tat er nicht. Nicht einmal ein Grußwort richtete er an sie.
    »Ich sehe, auch Sie mögen mich nicht«, sagte sie sofort.
    »Seit gestern abend noch weniger.« Korolew entgegnete es mit belegter Stimme.
    »Deshalb bin ich hier. Grüße der Gefangenen überbringe ich.«
    »Grüße? Sie? Wer glaubt das?«
    »Das sagen alle. Mit genau den gleichen Worten. Ich habe auf eigene Verantwortung und Gefahr alle Gefangen untersucht und konnte bei dieser Gelegenheit mit ihnen reden. Für jeden Verwandten habe ich eine Nachricht, aber schon die Beljakows wollten mich nicht anhören. Was soll ich tun, damit man mir glaubt?«
    »Setzen wir uns erst, Genossin Ärztin«, antwortete Korolew, milder und verträglicher gestimmt. »Ein Glas Limonade gefällig? Selbstgemachter Saft aus neun verschiedenen Beeren. Oder ein saures Gürkchen, das erfrischt? Kommen Sie, nehmen Sie Platz … ich will Sie anhören. Meine Pflicht ist's als Vorstand von Lebedewka.«
    Eine Stunde blieb Walja Borisowna bei Korolew und berichtete ihm aus dem Militärlager. Anschließend fuhren sie gemeinsam in Waljas Jeep zur Kirche und holten den Popen Schagin aus dem Garten, wo er gerade seine Dahlien begoß. Staunende Blicke verfolgten sie auf dem Weg zum Gotteshaus, und wie ein Wind verbreitete sich die Nachricht im Dorf: Grigori Valentinowitsch fährt mit der Genossin Ärztin herum … jawohl, die Tochter Schemjakins, sie ist's … in einem Jeep der Baubrigade, und Korolew sitzt neben ihr, ohne sich zu schämen. Was soll das? Was ist los mit ihm? Verstopft sich sein Gehirn? Was wollen sie bei Schagin? Oho, wie ein Aufruhr lief's durchs Dorf, man rottete sich zusammen, die Nachbarn trafen sich vor den Häusern, die größeren Kinder wurden losgeschickt, die Väter aus den Wäldern, vom Fluß und aus dem Moor zurückzuholen.
    Wiederum fast eine Stunde blieb Walja Borisowna bei Schagin, dem Popen. Und dann geschah so etwas

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