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Sibirisches Roulette

Sibirisches Roulette

Titel: Sibirisches Roulette Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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wie ein unverständliches Wunder: Auch Schagin setzte sich in den Jeep, neben Korolew, und alle drei fuhren zum Haus der Beljakows, stiegen dort aus und betraten den Vorgarten. Die Tür sprang auf, Großväterchen erschien, ein uraltes Gewehr im Arm, und richtete es auf Walja.
    »Leg dich ins Bett, Benjamin Pjotrowitsch, du Eisentopf, du verrosteter!« schrie Schagin ganz unchristlich den Alten an und stürmte der Tür zu. »Hat seinen Kopf nur noch fürs Mützentragen! Begreift nicht mehr, was er hört und sieht. Geh in die Ofenecke und trockne weiter aus!«
    Der Alte stieß einen gotteslästerlichen Fluch aus, den Schagin sofort mit dem Schlagen des Kreuzes entwertete, warf das Gewehr in weitem Bogen ins Haus hinein und gab die Tür zwar frei, aber nicht ohne vorher auf die Schwelle zu spucken. Nur knapp verfehlte der Speichel die Fußspitze des Popen.
    »Am Sonntag wirst du nach dem Gottesdienst allein vor der Ikonostase drei Psalmen singen!« zischte Schagin dem wutzitternden Großväterchen ins Gesicht. »Tust du's nicht, werde ich bei deinem Begräbnis kein Weihwasser über deinen Sarg sprengen, sondern ihn bepinkeln.«
    Man muß die Leute von Lebedewka kennen und lange unter ihnen leben, um zu verstehen, daß solche wüsten Reden, auch von einem Popen, gute Wirkungen zeugten. Großvater Beljakow senkte den Kopf, seufzte ergeben und antwortete:
    »Aber bevor du pinkelst, Kyrill Vadimowitsch, versprich es mir: Trinke einen guten Wein …«
    Und jetzt erst, endlich, konnte Walja Borisowna die Grüße von Andrej Nikolajewitsch anbringen. Hinterher weinte die ganze Familie, und die Beljakowa küßte Walja die Hand.
    Ganz plötzlich tauchte Masuk im hinteren Garten des Schwarzen Hauses auf. Dort riß Soja gerade die reifen Bohnen von den Stangen und warf sie in einen großen runden Spankorb. Wie ein Stier brach Masuk in die warme Stille ein, gab dem halbgefüllten Bohnenkorb einen Tritt und holte pfeifend Luft.
    »War das dein Motorrad?« brüllte er.
    Soja rückte ihr Kopftuch zurecht, blickte den verstreuten Bohnen nach und stemmte dann die Hände in die Hüften.
    »Heb sie auf!« sagte sie laut. »Leg sie wieder in den Korb! Vergiß nicht eine einzige, sage ich dir.«
    »Das Motorrad!« schrie Masuk außer sich. Sein Gesicht sah aus, als habe man es gleichzeitig von oben und unten zusammengedrückt. Ein häßlicher Mensch ist er eigentlich, dachte Soja. Vergleicht man ihn mit Jugorow – oje, was bleibt da übrig! Ein wüster Mensch ist er. Wie schön sind Jugorows Augen, seine Nase, sein Mund, sein nackter Körper. Wie ein Riesenaffe dagegen ist Masuk. Aber, man überlege das, wer kann schon verglichen werden mit Jugorow?! Ein Adler ist er, wirklich, es paßt zu ihm. Ein Adler, frei und furchtlos über der Erde schwebend …
    »Das Motorrad?« wiederholte sie Masuks Frage. »Verliehen …«
    »An einen Jugorow?«
    »Ja.«
    »Wo kommt er her?«
    »Irgendwo aus der Weite.«
    »In deinem Bett schläft er?«
    »Ja.«
    »Mit dir?«
    »Lew Andrejewitsch, heb die Bohnen auf!«
    »Wie lange hurt ihr schon miteinander?«
    »So lange, wie du das denken kannst …«
    »Der Blitz erschlage dich! Ist das Kind etwa von ihm, und mir willst du's anhängen, was?« Masuk rang nach Atem, sein Herz platzte fast auseinander, so spürte er es innen. »Hurenhündin, ich erschlage dich!«
    Aber dazu kam er nicht. Soja nahm eine Latte, die neben der Bohnenstange lehnte, hob sie hoch und schlug zu, Masuk mitten auf den Kopf. »Du Hund!« schrie sie. »Du lahmender, schielender Hund! Traust mir zu, mit anderen Männern zu schlafen?! Willst dich drücken vor deinem Kind?! Jugorow ist ein edler Mensch, du bist wie eine Giftraupe! Heb die Bohnen auf, sag' ich! Heb sie auf, du Schweinehund!« Und wieder hieb sie zu, und Masuk hob beide Arme über seinen Kopf und fing die Schläge mit den Unterarmen ab. Bei jedem Hieb schrie Soja: »Belogen hast du mich. Heiraten werd' ich dich, hast du gebettelt, die Hose auf den Schuhen. Vertrau mir, hast du geseufzt, im Gras neben mir … und ich habe dir geglaubt, ich Verrückte, ich Besudelte … Beim Satan, heb die Bohnen auf. In den Korb …«
    Masuk wich zurück, bückte sich und begann, die Bohnen vom Boden aufzusammeln und in den Korb zu werfen. Mit wogenden Brüsten sah Soja ihm zu, wie er Bohne nach Bohne auflas, zeigte ab und zu mit der Holzlatte auf übersehene Bohnen und kostete den Triumph aus, den starken Masuk vor sich herumkriechen zu sehen. Seine Erniedrigung sog sie ein wie Honigduft, und

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