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Sibirisches Roulette

Sibirisches Roulette

Titel: Sibirisches Roulette Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Tjunin als leidenschaftlichem Sprecher es für Verschwendung von Volksvermögen hielt, noch lange Revisionsprozesse bei längst erwiesenen Verbrechen zu führen. Wer etwa ein Kind aus lauter Lust ermordet hat, der sei es nicht wert, human behandelt zu werden. Nur noch zu einem sei er nützlich: als ›Ausbildungsobjekt‹ mitzuhelfen, die beste Kommandotruppe der Welt aufzustellen.
    »In einem neuen Krieg«, so hatte Tjunin vorgetragen, »werden diese Sondertrupps zum Einsatz ins gegnerische Hinterland gebracht, wo sie Brücken, Straßen und Industrie zerstören und die wichtigsten Männer des Gegners, die Politiker und Wirtschaftsbosse, Wissenschaftler und andere Führungskräfte liquidieren. Dafür brauchen wir die besten Spezialisten mit der besten Ausbildung. Das kann man nicht lernen an einer leblosen Puppe!«
    Tjunin hatte sich gegen teilweise harte Widerstände durchgesetzt. Seit zwei Jahren gab es das vierfach gesicherte Waldgebiet an der Oka, und von den wenigen, die davon wußten, waren es nur Tjunin und die fünf Offiziere der Kommandoschule, die nach Ende eines Lehrganges die Prüfung abnahmen, das zur Selbstverständlichkeit gewordene Töten. Dann saß Tjunin wie ein Jäger auf einem getarnten Hochsitz und beobachtete zufrieden, wie vor ihm die zum Tode Verurteilten, die man im GRU-Jargon trefflich KUKLI (Puppen) nannte, als ›Feind‹ lautlos und schnell getötet wurden. { * }
    Verständlich, daß bei der Meldung, Tjunin sei schon in der Luft Richtung Gorkij, die Alarmsirene über das Ausbildungsgelände heulte und alle Lehrgruppen zurückrief in den Kasernenbereich.
    Oberst Tobombajew, klein, etwas gelbgesichtig – seine Herkunft aus dem Volk der Kirgisen ging deutlich aus dem leicht schlitzäugigen Gesicht hervor –, ein freundlicher Mensch, witzig im Gespräch, klug in den Argumentationen und unerbittlich in seinem Auftrag, die besten Soldaten der Welt auszubilden – dieser Oberst Tobombajew berief sofort seinen Offiziersstamm zu einer Blitzkonferenz ins Stabsgebäude. In der Kaserne, auf den Stuben, begann ein hektisches großes Putzen – als ob General Tjunin auf einen Stuhl klettern würde, um zu kontrollieren, wie sauber auch die Oberseiten der Schränke gescheuert waren.
    Bei der Landung auf dem in den Wald geschlagenen kleinen Rollfeld fand Tjunin denn auch den gesamten Lehrgang in Paradeuniform angetreten, die Offiziere an der Spitze und Oberst Tobombajew vor der Formation in imponierendem Ordensschmuck. In der Kaserne zurückgeblieben waren nur die Köche und drei Ordonnanzen, die den Tisch im Offizierscasino deckten, sowie der Funker in seinem mit Geräten vollgestopften Raum – das einzige Zimmer, das Tag und Nacht besetzt war. Abgesehen von den Schutzräumen der Wachposten an den elektrisch geladenen, drei Meter hohen Drahtzäunen und deren Durchgängen.
    Tjunin stieg aus der Maschine, Oberst Tobombajew marschierte ihm entgegen und meldete die Truppe.
    »Welch ein Aufwand, mein lieber Nikita Romanowitsch«, sagte Tjunin und gab Tobombajew die Hand. »Das ist keine Inspektion. Ich komme, wenn man so sagen kann, ein wenig privat.«
    »Vorsicht vor der Unschuld, sie trug eine Jungfrau auf dem Rücken und war sie in fünf Minuten los …«
    Tjunin lachte. Einer der Aussprüche Tobombajews, für die er berühmt war. Keiner nahm sie ihm übel, weil man sie später überall weiterverwenden konnte. Auch jetzt, die Jungfrau, würde die Runde durch die GRU machen.
    Pflichtgemäß schritt Tjunin die Formation der Kommandotruppe ab, stieg dann in einen bereitstehenden GAZ-69, hinter dessen Steuer ein Unteroffizier mit steifem Kreuz saß, und ließ sich zur Kaserne fahren. In einem anderen Wagen folgten ihm Tobombajew und die Offiziere. Die Formation marschierte ab, und in den Köpfen aller Soldaten blieb die Frage: »Was will er hier? Braut sich da was zusammen? Wo wird's hingehen? Afghanistan? Nicaragua? Angola? Aden? Beirut? Chile? Karibik? Cuba? Haiti? Manila? Die Welt brennt an allen Ecken, und überall braucht man die Spezialisten der GRU.«
    »Südafrika wird's sein«, flüsterte einer der Tötungsschüler seinem Nebenmann beim Rückmarsch zu. »Oder Namibia … Du wirst sehen, ich tippe richtig.«
    Zunächst aber erfuhr niemand, was General Tjunin bewogen hatte, die SPEZNA-Schule zu besuchen. Gegessen wurde, einen saftigen Fasan gab es, vorher einen hervorragenden Borschtsch nach ukrainischer Art mit Einlagen von Gans, Entenfleisch und Schinkenstücken, Gemüse aus Rosenkohl und Gurken,

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