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Sibirisches Roulette

Sibirisches Roulette

Titel: Sibirisches Roulette Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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und beim Nachtisch schnalzte Tjunin mit der Zunge: kandierte Erdbeeren im Eiskörbchen.
    »Ein Zauberer ist euer Koch!« sagte Tjunin sehr zufrieden. »Manchmal hat's Vorteile, wenn mein Sekretariat den Mund nicht halten kann.«
    Nach dem Essen saßen die Offiziere um Tjunin herum im Casino, rauchten und warteten auf die große Eröffnung. Wegen eines guten Essens war Tjunin sicherlich nicht nach Gorkij geflogen.
    »Wie viele ›Kukli‹ haben Sie zur Verfügung?« fragte Tjunin plötzlich. Oberst Tobombajew blickte seinen General verwundert an. Kukli? Eine merkwürdige Frage.
    »Man hat uns neun überwiesen, Genosse General. Weitere sechs sind angekündigt. Immer zu wenig. Ich kann sie nur einsetzen bei den Abschlußprüfungen. Geübt wird weiter an Attrappen und Stoffpuppen. Einigermaßen natürlich konnte der vorherige Lehrgang üben; man hatte uns vierzig Schaufensterpuppen geschickt, die Menschen täuschend ähnlich sahen.«
    »Ich brauche nur vier Kukli, Nikita Romanowitsch.« Tjunin nahm eine Zigarre aus dem kunstvollen Kasten mit usbekischer Lackmalerei. Eine Ordonnanz gab ihm sofort Feuer. »Vier Kukli und zwei Ihrer besten Schüler. Schlagen Sie vor!«
    Oberst Tobombajew wechselte einige schnelle Blicke mit seinen Ausbildungsoffizieren und schien dann mit allen einig zu sein.
    »Noch weiß ich nicht, worum es sich handelt, Genosse General«, sagte er, »aber die besten Lehrgangsteilnehmer sind Leutnant Meteljew und Leutnant Krasnikow.«
    »Lassen Sie sie herholen, Nikita Romanowitsch.«
    Einer der Offiziere erhob sich und eilte aus dem Zimmer. Genußvoll rauchte Tjunin seine Zigarre, blickte den zerfließenden Rauchringen nach und weidete sich innerlich an der Neugier und Ungeduld seiner Offiziere. Vor allem Tobombajew rutschte auf seinem Sitz hin und her und hatte bereits drei Gläser Kognak getrunken. An seiner Zigarette sog er, als müsse er einen Blasebalg füllen.
    »Zwei intelligente Offiziere brauche ich«, sagte Tjunin versonnen. »Nicht Maschinen, die nur liquidieren können. Im Kopf müssen sie etwas haben, nicht nur ein steinernes Herz. Das setze ich voraus.«
    »Krasnikow und Meteljew haben den Intelligenztest überdurchschnittlich gut bestanden. Major Tschuba holt gerade die Akten der beiden. Aus ihnen können Sie alles ersehen, Genosse General.«
    »Alter?«
    »Meteljew 24, Krasnikow 25 … Beide Abgänger der Militärakademie Frunse. Beste Zeugnisse …« Tobombajew nuckelte an seiner Zigarette. »Wären sie sonst hier?«
    »Wir werden's prüfen.«
    Die Spannung blieb. Nichts über einen Einsatz, keine Information über den plötzlichen Besuch. Nur eines spürten sie deutlich: Eine ungewöhnlich bedeutsame Angelegenheit mußte es sein. Eine ganz geheime Arbeit. Ein Kommando von größter Wichtigkeit.
    Major Tschuba kam zurück, unter dem Arm die Akten. Ihm folgten zwei junge Leutnants, bauten sich vor Tjunin auf und standen stramm. Ihre Namen nannten sie, das Geburtsdatum und den Heimatort. Sie sprachen mit starrem Blick gegen die Wand, über Tjunin hinweg, der unter ihnen in einem Sessel saß.
    Ein paar Sekunden lang, die sich endlos dehnten in dieser spannungsvollen Stille, musterte Tjunin die beiden Offiziere vom Haaransatz bis zu den Stiefelspitzen: es war ein Sklavenhändlerblick, der den Wert der Menschenware abtastet.
    »Stehen Sie bequem, Genossen«, sagte Tjunin endlich. Die beiden Leutnants rührten sich und blickten erst jetzt ihren General an. Zum erstenmal sahen sie ihn und schienen enttäuscht. Ein unscheinbares Männchen, das nur durch die Uniform wirkte. Was hatten sie sich vorgestellt … einen sportlichen, athletischen General?
    »Sie werden für einen Sondereinsatz gebraucht, Krasnikow und Meteljew. Einen gefährlichen Sondereinsatz. Sagen wir es ganz klar: Es könnte möglicherweise kein Wiederkommen geben. Von der Stunde an, in der Sie Ihre Aufgabe beginnen, ist Ihr Leben keinen Rubel mehr wert. Das nur ganz allgemein. Niemand kann Sie zwingen, dieses Kommando zu übernehmen, auch ich nicht. Ich will es auch nicht. Raten Sie nicht herum; ich sehe an Ihren Augen, daß Sie völlig falsch denken. Es ist nicht Afghanistan oder Südafrika. Es liegt viel näher. Vor der Tür, wenn man es so sehen will. Im eigenen Vaterland. Es ist … ein tödliches Kommando …«
    »Auf dieses Risiko hin werden sie ja geschult, Genosse General«, warf Oberst Tobombajew ein. »Der Gegner oder ich – eine andere Alternative gibt es nicht. Wer einen Hund streichelt, weiß, daß er mit dem

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