Sibirisches Roulette
Seite, als sie Masuks Haus passierten.
»Hure!« schrie Lew Andrejewitsch außer sich. »Hurenteufel! Wie lange lebt ihr noch?! Lacht nur, lacht, umklammert euch … bald ist's vorbei damit! Wer kann das aushalten? Himmel, wer kann das?! Was bleibt mir anderes übrig, als sie zu töten?!«
Wie ein Jäger, der einem nächtlich herumstreifenden Wolf auflauert, blieb er in der Dunkelheit hinter dem Zaun seines Vorgartens sitzen und wartete. Soja mußte zurückkommen, in kurzer Zeit. Oder nach Stunden. Oder erst am Morgen, wenn sie sich aus Jugorows Umarmungen gelöst hatte. Jedenfalls mußte sie auf der Straße an ihm vorbei, es gab keinen anderen Weg zum Schwarzen Haus.
In dem Gefühl, von Minute zu Minute ein kleines Stückchen mehr zu sterben, saß Masuk hinter dem Zaun auf einem Hocker und stellte sich die schreckliche Situation vor, wie Soja sich voller Leidenschaft in den Armen Jugorows vergnügte. Er glaubte sogar die spitzen Schreie ihrer Lust zu hören. Wie vom Blitz getroffen zuckte er hoch, als er von fern das Geknatter des Motors hörte.
Sie kam zurück … auf der Uhr war eine knappe Stunde verstrichen. Die Nacht über blieb sie also nicht bei ihm, aber die Liebe kann auch kurz sein und um so heftiger.
Mit einem Sprung stürzte sich Masuk auf die Straße, breitete die Arme aus und versperrte den Weg. Der dünne Scheinwerfer des Motorrades erfaßte ihn, raste auf ihn zu … sie fährt weiter, schrie es in Masuk, sie überfährt mich glatt, Gott im Himmel, sie bremst nicht, es ist um mich geschehen, sie tötet mich, kaltblütig kommt sie auf mich zu, sie mordet mich, um mit Jugorow zu schlafen … da knirschte es ganz nahe vor ihm, und das Motorrad hielt.
»Was willst du?« hörte Masuk hinter dem Scheinwerfer Sojas Stimme. »Geh aus dem Weg!«
Masuk atmete auf, trat einen Schritt zur Seite und aus dem Strahl des Scheinwerfers. Undeutlich, mit noch geblendeten Augen, sah er Soja auf dem Sattel, ein Tuch um den Kopf geschlungen.
»So eilig?« knurrte er dumpf und gefährlich. Noch steckte ihm die Todesspannung in den Knochen. »Schnell zur Ruhe, was? Satt vom Huren …«
»Zurückgebracht habe ich ihn ins Lager. Er braucht das Rad nicht mehr. Er bleibt in Nowo Gorodjina. – Gib die Straße frei, Lew Andrejewitsch!«
»Im Lager bleibt er? Sieh an, sieh an! Ein Holzwurm, der sich in jedes Brett bohrt … erkennt man's nun?! Gibt's jetzt einen Pendelverkehr zwischen dem Lager und deinem Bett? Wird er abgeholt für ein zartes Stündchen? O du Luder!«
»Steck den Kopf in einen Eimer Wasser und warte, bis es kocht«, sagte Soja spöttisch. »Aber ersauf nicht, ich brauche den Vater meines Kindes noch …«
Mit einem Lachen fuhr sie weiter, um Masuk herum – so plötzlich, daß er sie nicht mehr am Arm zurückreißen konnte. Er griff ins Leere, stieß einen gräßlich gemeinen Fluch aus und ging dann in sein Haus. Aber an der Tür blieb er stehen, kam wieder zurück und stapfte die Straße hinunter zum Anwesen von Korolew.
Grazina Grigorinowna, das jüngste Töchterchen, öffnete auf sein hämmerndes Klopfen. »Was treibst du dich herum?« fragte sie. »Keine neue Nachricht von Svetlana!«
Masuk gab keine Antwort, ging weiter in das Wohnzimmer und sah Korolew wie immer am Tisch sitzen und eine seiner selbstgedrehten Zigaretten rauchen. Einige Notizen hatte er vor sich liegen, auf einem kleinen Blatt Papier, das man bei einer überraschenden Razzia notfalls in den Mund stecken und aufessen konnte.
»Mit Filaret hatte ich Kontakt«, sagte Korolew sofort, als Masuk hereinpolterte. »Gute Verbindung dieses Mal. Klar, als stände er vor mir.« Der Anblick von Masuks Gesicht verriet ihm, was diesen bedrückte, und deshalb fuhr er gleich fort: »Nach Jugorow habe ich gefragt.«
»Ah! Und was sagt Filaret?!«
»Er kennt ihn nicht …«
»Da haben wir's!« brüllte Masuk auf. »Ein Grund, ihn sofort zu liquidieren.«
»… er kennt ihn nicht persönlich, Lew Andrejewitsch. Aber er kennt seine Taten. Jugorow ist tatsächlich der ›Spezialist‹. Ein Einzelgänger, der mehr ausgerichtet hat als ganze Widerstandsgruppen! Woher er kommt … Filaret weiß es auch nicht. Aber wo er erschienen ist, stockte das Kanalbau-Projekt. Trümmer hinterließ er, von vorn mußte begonnen werden. Vom Aral-See aufwärts nach Norden jagt man ihn. Filaret nennt ihn den großen, einsamen Adler. Nur eben gesehen hat er ihn noch nicht.«
»Aber wir haben ihn jetzt …«, schrie Masuk.
»Das ist eine dicke Kerze in unserer
Weitere Kostenlose Bücher