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Sibirisches Roulette

Sibirisches Roulette

Titel: Sibirisches Roulette Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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wieder die Straße hinunter. Walja stürzte ans Fenster, sah im Schein der Bogenlampen, daß das blonde Mädchen allein zurückfuhr nach Lebedewka, sicherlich glücklich und voll Seligkeit nach diesem Abend mit Jugorow. Was konnte sie anders sein als glücklich?
    Man fragte Walja Borisowna nicht, was sie dazu trieb, leise das Haus zu verlassen und sich wegzuschleichen. Drinnen im Wohnzimmer saß noch immer Major Nasarow und vertilgte ein Stück nach dem anderen von einem Kuchen, den die Schemjakina gebacken hatte. Ein Apfelkuchen, der Nasarow an seine Mutter erinnerte. Als er das sagte, war seine Stimme weich geworden, und ein paar Minuten lang war er ein anderer Mensch gewesen.
    Im Neubaugebiet, wo Jugorow sein Zimmer bezogen hatte, war die Straßenbeleuchtung noch nicht fertiggestellt. Tiefe Dunkelheit lag hier über den niedrigen Häusern. Nur hinter ein paar Fenstern schimmerte noch das Licht aus den schwachen Glühbirnen. Auch Jugorows Fenster war noch erhellt … mit einem tiefen Aufatmen stellte Walja es fest und war gleichzeitig froh darüber, daß die Dunkelheit aus ihr nur einen Schatten werden ließ.
    Jugorow hatte gerade sein Hemd ausgezogen, als sich die Tür öffnete und Walja eintrat.
    »Es war nicht abgeschlossen«, sagte sie, als spreche sie einen Tadel aus.
    »Nie wird bei mir abgeschlossen, immer offen ist es für einen Besuch. Ich mag Besuche, bin ein kontaktfreudiger Mensch.« Er nickte ihr zu, wölbte ihr seine nackte Brust entgegen und lächelte vorsichtig. »Die Untersuchung haben Sie vorhin abgebrochen. Genossin Ärztin«, sagte er höflich. »Sie sehen, ich bin bereit. Hören und klopfen Sie mich ab und was Sie sonst noch brauchen …«
    »Wer war das blonde Mädchen?« unterbrach sie ihn mit rauher Stimme.
    »Das Mädchen? Ja … aha … Soja war es. Soja Gamsatowna.«
    »Sie hat dein Motorrad genommen?«
    »Anders herum: Ich hatte es ihr genommen, und sie hat's zurückgeholt.«
    »Mit dir auf dem Gepäckträger?«
    »Wie sollte ich zurückkommen nach Nowo Gorodjina? Morgen früh um sechs heißt es aufstehen.«
    »Woher kennst du sie?«
    »Ich habe bei ihr gewohnt.«
    Sie nickte, machte kehrt und wollte das Zimmer wieder verlassen. Jugorow hielt sie hinten an der Bluse fest.
    Sie zerrte, warf sich herum und schlug ihm auf die Hand.
    »Laß los …«, zischte sie wie eine giftige Schlange. »Laß mich los!«
    »Schön ist sie wie der Morgentau auf den Blumen«, sagte Jugorow.
    »Aber die Sonne frißt den Tau auf!«
    »Schade … dich habe ich damit gemeint …«
    Nur einen Augenblick zögerte Walja und wartete darauf, daß er sie jetzt wieder an seine Brust reißen würde, und dann gäbe es kein Treten und Schlagen mehr, dann wäre es nur noch eine Betäubung gewesen, in die sie hineingleiten wollte … aber Jugorow rührte sich nicht und ließ sie ungehindert zur Tür gehen und sie öffnen.
    »Ein Idiot bist du doch«, sagte sie leise. »Nur kann man's nicht in die Papiere schreiben …«
    Sie warf die Tür zu, und Jugorow hörte, wie sie schnell durch die Nacht davonlief.
    Ein Glücksgefühl durchströmte ihn und ließ seine Schläfen heiß werden wie im Fieber. Die Eifersucht treibt sie herum … Waljuschka, mein Liebes, hier ist der schönste Fleck auf unserer Erde – und ihn, gerade ihn, muß ich zerstören. Aber vorher, mein Herz, hole ich dich raus. Es wird furchtbar sein, wenn Nowo Gorodjina untergeht.
    Mitternacht war bereits vorbei, als bei Schemjakin das Telefon klingelte. Major Nasarow hatte sich gerade erhoben, um nach Hause zu fahren; den halben Kuchen hatte er aufgefressen und war ziemlich friedlich gestimmt, denn Moskau und die GRU im Nacken, das macht vorsichtig. Schemjakin winkte ihm, er möge noch einen Augenblick bleiben. Ein Telefongespräch um Mitternacht, hier in den Wäldern und Sümpfen des Tobol, ist nichts Natürliches.
    Schemjakin hob den Hörer ab, bedeckte sofort die Sprechmuschel mit der Hand und sah zu Nasarow hinüber.
    »Moskau …«, flüsterte er. »Vielleicht geht das auch Sie an, Leonid Antonowitsch.«
    Was da von Moskau herüberkam, schien knapp und kurz zu sein. Nach mehrmaligem stummem Kopfnicken legte Schemjakin wieder auf.
    »Nur für mich«, sagte er. »Wir bekommen morgen zwei Spezialisten. Geologen. Werden im Laufe des Tages eingeflogen. Was sie hier sollen … ich weiß es nicht. Alles ist vermessen und schon vor Monaten untersucht. Aber wer von uns weiß schon, was in Moskau auf den Konstruktionstischen liegt? Krasnikow und Meteljew heißen

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