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Sibirisches Roulette

Sibirisches Roulette

Titel: Sibirisches Roulette Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Botschaft?«
    »Und warum hast du drei Tage lang geschwiegen?«
    »Geschämt hat sie sich«, warf die Schemjakina ein. »Natürlich hat sie sich geschämt. Verstehst du das nicht? Wie war's bei uns, Boris Igorowitsch? Geweint habe ich in unserer ersten Nacht …«
    Schemjakin winkte energisch ab, schämte sich jetzt selbst über seine Frau. So eine Erinnerung gehörte nicht vor die Ohren einer Tochter. Ruckartig blieb er vor Walja stehen.
    »Ein Pferd hatte er also?«
    »Ja.«
    »Ritt damit in Richtung Lebedewka?«
    »Es hörte sich so an. Ein beschlagenes Pferd.«
    »Woher weißt du das?«
    »Igor sagte es; er hat's am Klang gehört.«
    »Ich glaube es nicht, daß es die Bauern von Lebedewka sind«, sagte Schemjakin und nahm seine Wanderung durch das Zimmer wieder auf. »Der Damm war leicht zu sprengen, nachts ist er ohne Schutz, keine Wache. Wozu Wachen, hab' ich gedacht. Hat man mir damals gesagt, was im Süden schon geschehen ist? Nein, nichts hat man mir gesagt. Erst jetzt … jetzt … wo Millionen Rubel in den Himmel gepustet wurden, jetzt heißt es am Telefon: Nur Ruhe, Schemjakin, bleiben Sie stark! Schemjakin, lassen Sie sich nicht unterkriegen! Wir wissen, wer es ist – nur gesehen haben wir ihn noch nicht … ein Spezialist ist er …«
    »Aber wir haben ihn gehört, Vater. Ihn und sein Pferd.«
    »Nein, Walja, nein, ich glaube es nicht. Der, den man sucht, reitet kein Pferd. Ein Pferd macht Lärm – er arbeitet lautlos.« Schemjakin blieb wieder stehen, sah Walja lange schweigend an, und sie hielt seinem Blick stand. Dann sagte er freundlicher: »Hol den Jugorow her. Bring ihn zu mir, Töchterchen!«
    Am Sonntag war es, da konnte Walja trotz aller Suche Jugorow im Lager nicht finden. Wo sie auch nach ihm fragte – keiner hatte ihn gesehen. Schon in aller Frühe mußte er weggegangen sein.
    Der bohrende, unerträgliche Verdacht kam in Walja wieder hoch: Zu Soja ist er geschlichen, in der Dämmerung, wie ein Kater. Wo könnte er anders sein, jetzt, am Sonntag, wo jeder die Ruhe ausnutzt und länger schläft? Unbändige Eifersucht ergriff sie, und sie lief zu Noskow, dem Vorarbeiter. Es war ihr gleichgültig, was er von ihr denken mochte; sie trommelte mit den Fäusten gegen die Tür.
    »Foma Pjotrowitsch!« rief sie mit fliegendem Atem. »Foma!«
    Noskow öffnete die Tür einen Spalt, blinzelte verschlafen hinaus, erkannte die Genossin Ärztin und bekam einen Schreck.
    »Ein Irrtum!« rief er sofort. »An die falsche Tür ist geklopft! Nebenan, Jurij Tunkel, der hat sich angesteckt. Ich habe Antonina nie angerührt, nie, das beschwöre ich. Und wenn sie's behauptet, dann lügt sie, so wahr es einen Himmel gibt.«
    »Wo ist dein Rad?« fragte Walja und atmete heftig. »Hast du Jugorow wieder dein Rad geliehen?«
    »Ha!« Noskow riß die Tür auf, hellwach war er jetzt. Das Rad! »Was soll ich ihm noch leihen?« schrie er und fuchtelte mit den Armen durch die Luft. Nur ein kurzes Hemd trug er in diesen warmen Nächten, und wenn er die Arme hochwarf, rutschte es bis zu seinem Nabel. Wen stört's? Noskow am wenigsten. »Was ist übrig geblieben von meinem schönen Rad? Das Vorderrad zertrümmert, verbogen die Speichen, im Lenker eine Delle – ist das noch ein Rad? Der Teufel hole Jugorow! Erklärt, da lag ein Stein im Weg und hui, fliegt er durch die Luft und mein Rad hinterher. Und wer bezahlt mir das? Niemand!«
    »Er hat dein Rad also nicht genommen?«
    »Wie denn? Im Schuppen liegt's. Mit diesem Krüppel kann man nicht mehr fahren …« Noskow sah Walja mit schief geneigtem Kopf an. »Das war alles, Genossin Ärztin?«
    »Nein!« Walja erinnerte sich trotz aller Eifersucht daran, was Noskow beim Öffnen der Tür gerufen hatte. »Was ist da los mit Antonina?«
    Um Antonina Iljanowna handelte es sich, eine der Köchinnen; ein kräftiges Mädchen mit einem Hintern, der ein dickes Stück Fleisch zu Rouladen walzen konnte. Begehrt war sie nicht nur wegen ihrer prallen Formen, sondern auch, weil der Glückliche, dem sie ihre Gunst schenkte, von da an nicht mehr die Stückchen Fleisch auf seinem Teller zählen mußte und süßen Pudding bis zum Ersticken essen konnte. Pudding war eine Spezialität von Antonina; wenn sie das wabbelnde Kunstwerk auf einem großen Teller hereintrug, erlebte man die vollkommene, schwingende Harmonie zwischen dem Pudding und ihren Brüsten. Wer, frage ich euch, Genossen, kann dem widerstehen?
    »Jurij Tunkel ist ihr Liebling …« Noskow kratzte sich den Kopf; erst jetzt wurde er

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