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Sibirisches Roulette

Sibirisches Roulette

Titel: Sibirisches Roulette Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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sich bewußt, wie kurz sein Hemd war. Er lief rot an und legte seine Hände dachziegelgleich über seinen Unterleib. Schon mehr hat sie gesehen, tröstete er sich. Eine Ärztin … na, was an der alles vorbeizieht! Erschrecken kann man sie nicht mehr. Für sie ist's nur ein anatomisches Teil.
    »Und weiter?« fragte Walja fordernd.
    »Ja nun …« Noskow wackelte mit der Nase. Nicht gerade angenehm ist es, über so etwas zu sprechen. »Kommt gestern Jurij Tunkel zu mir und sagt kläglich: ›Foma Pjotrowitsch, mein Freund bist du, nur dir allein sag ich's. Da ist bei mir etwas geschwollen, und es brennt. Gib mir einen Rat.‹ Ich sage: ›Zeig her!‹ Er zeigt es her … Oje, mir blieb der Atem weg. ›Ist Antonina nicht eine Sau?‹ fragt er, und ich antworte: ›Mein lieber Jurij Allanowitsch, tröste dich, sei tapfer, verlier nicht den Kopf: Alles kann man heute heilen, auch so was. Aber Prügel verdient hat sie, das ist klar! Prügele sie kräftig durch und erzähl alles der Genossin Ärztin!‹ Und was antwortet Tunkel, der Dumme? ›Zur Ärztin? Foma, o wie könnte ich das? Man kann ihr doch so was nicht auf den Tisch legen, unter die Augen halten … Vorher betäuben müßte man mich …‹« Noskow atmete tief auf, drehte sich um, lief zu seinem Bett, riß die Decke weg und wickelte sich hinein. Jetzt war ihm wohler. »Soll ich hinübergehen, ihn auf den Kopf schlagen, damit sie ihn untersuchen können, Genossin Ärztin?«
    »Nicht jetzt. Das hat Zeit, bis ich Tunkel rufe! Sind noch andere erkrankt?«
    »Das weiß man nicht. Wer spricht darüber? Kann sein. Die einen behandeln sich mit eisigem Wasser, die anderen sitzen in Schüsseln mit heißem Wasser.«
    »Und ich weiß von alledem nichts! Seid ihr denn alle Idioten?«
    »Wenn's hier einen Arzt gäbe«, sagte Noskow und lächelte schief und sehr verlegen. »Aber vor einer Frau … Sie verstehen das, Genossin?«
    »Nein! Für alle Krankheiten bin ich da!«
    »Wie ich's zu Tunkel gesagt habe: Kein Mann bist du für sie, sondern eine Krankheit. Aber er schämt sich; nicht überreden kann man ihn.«
    »Ihr werdet Nachricht erhalten, ihr alle!« sagte Walja laut und trat zurück.
    »Ich auch?« stöhnte Noskow auf.
    »Auch du!«
    »Genossin, ich habe nicht mit Antonina …«
    »Das zählt nicht. Ihr alle seid eine Schweinebande!«
    Sie verließ das Haus, Noskow sank auf sein Bett zurück und wischte sich über das Gesicht. Erschüttert war er. Da sagt man nun die Wahrheit und kommt selbst in die Mühle. Am besten schweigt man und denkt nur für sich selbst. Im Schuppen nebenan rumorte es; Noskow ging zum Fenster, blickte hinaus und sah wie Walja Borisowna das Fahrrad vor sich stehen hatte und mehrmals mit aller Wucht dagegentrat.
    »Mein Rad!« stammelte er und raufte sich die Haare. »Mein schönes Rad! Was hat es den Menschen bloß getan?! Jetzt wird's völlig vernichtet. Ein armer Wicht bin ich, ein getretener. Gutmütigkeit ist die Mutter der Dummheit …«
    Bis zum Hals mit Wut und Eifersucht geladen, sprang Walja in ihren Jeep zurück und zögerte nun nicht mehr. Abgeholt hat sie ihn, das war jetzt sicher. In der Nacht abgeholt mit ihrem Motorrad, und sie hatte es lautlos durch die Gassen geschoben bis zu Igors Wohnung, und so waren sie auch wieder weggeschlichen. Erst auf der Straße, wo niemand sie mehr hörte, waren sie losgebraust … schnell, schnell ins Bett, vielleicht schon ein Halten bei den ›Zehn Sängern‹ und dort ins hohe Gras … O Himmel!
    Wie hatte ihr Vater gesagt, als sie Jugorow zu ihm brachte auf seinen Wunsch? »Meine Tochter lieben Sie also, Igor Michailowitsch … ich kann's nicht ändern. Alt genug ist sie, um Entscheidungen über ihr Leben zu treffen. Aber eines sag ich Ihnen: Wenn durch Sie Unglück über meine Tochter kommt, jage ich Sie rund um die Welt! Nicht einen Fleck wird es geben, wo Sie sich verbergen können!« Und Jugorow hatte geantwortet: »Es ist nicht meine Art zu flüchten. Jeder Verantwortung stelle ich mich. Immer werde ich zu finden sein.«
    Aber jetzt, an diesem Sonntag, war er eben nicht zu finden. Hatte sich davongeschlichen mit Soja, dieser Hure. Was hat sie, das ich nicht habe? Das besser ist als bei mir? Was zieht ihn hin zu ihr, das ich ihm nicht bieten kann?
    So schnell der kleine Jeep fahren konnte, raste Walja Borisowna die Straße hinunter nach Lebedewka. Über dem Dorf lag die sonntägliche Ruhe. Nicht ein Mensch war auf der Straße. In den Gärten saßen nur die Uralten zwischen den Blumen und

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