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Sibirisches Roulette

Sibirisches Roulette

Titel: Sibirisches Roulette Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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warum predigt man so etwas Bekanntes in der Kirche? Was focht Väterchen Schagin an, menschliche Versuchungen mit Jauche zu vergleichen?
    Die Kirche leerte sich. Und siehe an: Alle, die da herauskamen und den Jeep mit Walja sahen, verteilten sich und gingen in einem weiten Abstand an ihr vorbei, zurück zu ihren Häusern.
    Ziemlich als letzte kamen Soja und Gamsat Trofimow aus der Kirche. Bei ihrem Vater hatte sie sich untergehakt, nahm auf der Straße ihr Kopftuch ab und schüttelte ihre goldglänzenden Haare frei. Walja beobachtete sie, die Hände um das Lenkrad gekrallt, und so sehr sie innerlich die Rivalin mit Flüchen und Verwünschungen zudeckte, anerkennen mußte sie, daß sie schön war, ein Diamant unter Wackersteinen. Nur ein blinder Mann konnte an ihr vorbeigehen, ohne sich zu straffen und ein radschlagender Pfau zu werden.
    Nur einen schnellen Seitenblick warf Soja auf den Jeep und die unbewegliche Walja, dann lachte sie hell und laut. Trofimow, ihr Väterchen, zuckte zusammen, starrte sie an und begriff nicht, warum oder worüber sie lachte. Eine schreckliche Messe war's wieder gewesen; von allen Mitbürgern mißachtet wurden sie; eingeklemmt hatten sie zwischen den alten Weibern gestanden, und einige der runzeligen Hexen mußten ihre Bäuche vorher mit rohen Zwiebeln geladen haben, denn sie furzten bei jedem Psalm und umhüllten Soja und ihn mit einem schrecklichen Gestank. Abgesprochen war das, ohne Zweifel, vertreiben wollte man sie auch aus der Kirche; gelang es bisher nicht mit Verachtung, dann blies man ihnen eben jetzt Winde um die Ohren. Als die Liedzeile gekommen war: »Die Himmel öffnen sich für euch …«, da hatte Trofimow über die alten Weiber hinweg gebrüllt: »Die Ärsche öffnen sich für uns …« Aber im dröhnenden Gemeinschaftsgesang war das untergegangen.
    Walja Borisowna preßte die Lippen zusammen. Sojas Lachen wirkte wie ein Schlag auf sie, war es doch ein Beweis, wie gering das Hürchen sie achtete; wie siegesgewiß sie war, Jugorow immer wieder in ihre Arme zu ziehen.
    Fahr los! flüsterte eine drängende innere Stimme ihr zu. Gib Gas und fahr sie um! Ein Unfall ist's, wer kann das Gegenteil beweisen? Das Gaspedal, klemmt es nicht ab und zu? Die Bremsen sind schwach, Genossin; nachstellen muß man sie unbedingt, schon seit Tagen hätte der Wagen in die Werkstatt gemußt. Und auch im Motor rappelt etwas … nun ist's passiert; von selbst raste der Wagen davon. Wie gelähmt war ich … ein unfaßbares Schicksal ist's, daß ausgerechnet Soja Gamsatowna im Wege stand … Zertrümmert den Wagen, Genossen, ich bin ja selbst ein Opfer …
    Sie berauschte sich für einen Augenblick an diesen Gedanken, aber sie ließ den Motor dann doch nicht an. Auf Jugorow wartete sie. Darauf, daß er den Trofimows nachging. Oder darauf, daß er zu ihr kam und sie vor aller Augen umarmte. Würde er das tun? Gott … warum kommt er nicht aus der Kirche? Was hält ihn fest?
    Festgehalten wurde er von Schagin, dem Popen. Auf dessen Wink hin waren Jugorow, Korolew, Rudenko und Goldanski zurückgeblieben, und auch Masuk hatte verstanden, als Schagin ihn scharf ansah und den Daumen nach unten streckte. Selbst das Rätsel mit der Kuh und dem Mist hatte er begriffen, er war ja kein dummer Mensch, dieser Lew Andrejewitsch. Aber ein Pope hat gut predigen! ER bekommt kein heimliches Kind. Und ER muß nicht die Qual ertragen, von einem Jüngeren in die Ecke gestellt zu werden.
    »Bleibt noch hier«, sagte Schagin, nachdem alle gegangen waren. Nur Afanasij humpelte noch herum und blies die großen Kerzen aus, und Wassja, der Totengräber, sammelte den größten Teil des Blumenschmuckes ein und trug ihn hinter die Ikonostase. »Draußen wartet der Spion.«
    »Von Nasarows Truppe?« fragte Rudenko.
    »Von der Baubrigade«, antwortete der Pope. »Die Genossin Ärztin.«
    »Walja ist hier?« rief Jugorow. »Freunde, das ist doch keine Spionin! Gehen wir hinaus.«
    »Warum ist sie dann hier?« fragte Goldanski. »Alles, was von da kommt« – er zeigte mit ausgestrecktem Arm in die Ferne – »ist unser Feind!«
    »Sie nicht.« Jugorow sah sich im Kreise um. »Ich komme auch von – da!«
    »Wie kann man das vergleichen, Igor Michailowitsch?« Korolew stützte sich auf seinen Stock. Wenn er lange stehen mußte, wie hier beim Gottesdienst, brauchte er einen entlastenden Halt. »Drückt ihm die Hand, Brüder. Die Sprengung war ein Meisterwerk. Heute morgen kam Jugorow zu mir, in aller Frühe, und sprach in meiner

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