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Sichelmond

Sichelmond

Titel: Sichelmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Gemmel
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ins Ohr. Und sie spürte, wie sich seine Anspannung legte. Wie das Zittern verebbte.
    Und sie hielt ihn im Arm, bis auch sein Schluchzen verstummt war und der Gesang der Großmutter das einzige Geräusch war, das durch die riesige Halle des Wasserwerks schwang.

D as Telefon riss Mayers aus seinen Gedanken. Gerade war er dabei gewesen, Linien auf einem Stadtplan zu ziehen, der ausgebreitet vor ihm auf dem Tisch lag. Er versuchte zu ergründen, ob es eine Verbindung oder ein Muster zwischen den Wohnungen gab, in die bisher eingebrochen worden war. Der schrille Ton des Telefons hatte ihn jedoch so sehr erschreckt, dass er mit seinem roten Stift vom Lineal abkommen war und eine krakelige Spur quer über den ganzen Stadtplan gezogen hatte.
    »Mist, verdammter!«, fluchte er. »Alle Arbeit umsonst.« Mit einem finsteren Blick bedachte er das Telefon, das gerade wieder lauthals ertönte. »Wenn das nicht wichtig ist!« Er hob ab: »Ja. Mayers.«
    Eine dünne männliche Stimme erklang: »Man hat mich mit Ihnen verbunden, weil Sie der richtige Ansprechpartner für mich sind.«
    »Ja, klar«, antwortete Mayers und fluchte innerlich erneut. Für diesen weinerlichen Typ hatte er gerade seinen Stadtplan versaut. »Wie kann ich Ihnen helfen?«
    »Nein«, erklang die dünne Stimme. »Sie verstehen nicht: Ich kann Ihnen helfen.«
    Da wärst du der Erste, dachte Mayers nur. Mit einer Hand begann er, den Stadtplan zusammenzuknüllen. Ins Telefon sagte er nur: »Nun gut, wie können Sie mir helfen?«
    Der Mann suchte nach den richtigen Worten. »Wissen Sie   …«
    Mayers verdrehte die Augen und knüllte hektischer das Papier. »Ja?«
    »Ich weiß, wo Sie den Neumond-Täter finden können.«
    Mayers hielt in der Bewegung inne. Der Stadtplan fuhr ihm ausder Hand und fiel laut raschelnd auf die roten Turnschuhe. »Sagen Sie das nochmal.«
    Der Mann am anderen Ende wurde nervös. »Ich habe ihn auf dem Foto gesehen und erkannt. In der Zeitung. Sie wissen doch. Und ich weiß, wo er sich immer wieder aufhält.«
    Mayers traute seinen Ohren noch immer nicht. »Wo denn?«
    »Wissen Sie, ich hätte nicht gedacht, dass dieser nette junge Mann, also dass er   …«
    Ungeduldig hakte Mayers nach: »Wo können wir ihn finden?«
    »Das Beste ist, Sie kommen erst einmal zu mir«, schlug die dünne Stimme vor. »Ich besitze den kleinen Gemischtwarenladen an der Lindenallee, Ecke Buchenweg.«
    »Danke!« Mayers knallte den Hörer auf und schrie quer durch die ganze Dienststelle: »Tallwitz!«
    Endlich: Sie hatten wieder eine Spur.

E in Schlag ins Gesicht.
    Dann ein zweiter.
    Rouven wusste nicht, wie ihm geschah. Und noch bevor er die Augen öffnete, spürte er zwei Hände, die sich um seinen Hals legten und langsam zudrückten.
    Er riss die Augen auf. Er lag auf seinem Bett und erblickte Tabitha, wie sie vornübergebeugt auf seinem Bauch saß. Ihre Hände drückten immer fester zu. Rouven packte sie an den Handgelenken. Es gelang ihm, Tabithas Hände von sich zu drücken. Mit ihren langen Fingernägeln schnitt sie ihm tief in die Haut. Rouven schrie. Er kämpfte gegen ihr Körpergewicht an und bäumte sich auf. Mit einem Ruck konnte er sich zur Seite werfen, um sich endlich von Tabitha zu befreien. Er robbte an den Bettrand und hechelte nach Luft.
    »Rouven?« Tabitha rief ihn mit müder Stimme. »Ist was?«
    Er blickte sich überrascht nach ihr um. »Du hast mich gerade   …« Er verstummte. Tabitha öffnete gerade erst die Augen, und Rouven verstand: Sie hatte ihn im Schlaf angegriffen.
    Jetzt entdeckte sie seine Wunden und war sofort hellwach. »Was ist passiert?«
    Rouven rieb sich die Wunde. »Du hast einen merkwürdigen Schlaf.«
    Tabitha zeigte erschrocken auf Rouvens Hals. »War ich das?«
    »Du musst geträumt haben.«
    Sie dachte nach. Und plötzlich verfinsterte sich ihr Blick. »Ja. Ich habe geträumt.«
    »Du erinnerst dich?«
    Sie wandte sich von Rouven ab und schwieg.
    Rouven kletterte zu ihr auf die Matratze, auf der sie vorhin eingeschlafen waren, nachdem sie stundenlang gesprochen hatten. »Wovon hast du geträumt?«, fragte er.
    Tabitha schüttelte den Kopf und verweigerte die Antwort.
    »Bitte«, hakte Rouven nach. »Du hast mich fast erwürgt. Da bist du mir eine Antwort schuldig.«
    Wieder schüttelte Tabitha den Kopf. »Ich kann nicht.«
    Doch Rouven ließ nicht locker. »War es von dem Überfall? Hast du davon geträumt?«
    Schweigen.
    »Der Angriff? Tabitha, bitte!«
    Sie wandte den Kopf. Sie seufzte. »Ich hab dir nicht

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