Sicherheitsfaktor III
hatte mir die Information mitgegeben, damit ich sie in einem kritischen Augenblick einsetzen konnte, um zum Beispiel die Aufmerksamkeit des Gegners von anderen Dingen abzulenken. Dieser Augenblick war gekommen: Ich mußte Huang Ho-Fengs Verdacht wegen der versäumten Verabredung zerstreuen.
»Man muß den Mann selbstverständlich hierherbringen und ihn ausführlich verhören«, äußerte sich Huang.
»Ich zweifle nicht an der Weisheit des Genossen Huang«, antwortete ich, »aber in diesem Fall würde ich von einem Verhör absehen.«
»Warum?«
»Erstens, weil der Mann uns auch freiwillig mitteilt, was er weiß. Und zweitens, weil er weiterhin oft auf Reisen geht und auf lange Sicht als zuverlässige Informationsquelle zu betrachten ist.«
»Hm«, machte Huang, »das muß ich mir durch den Kopf gehen lassen. Welches ist also das Oberhaupt der Rebellen?«
Ich machte eine höchst bedeutungsvolle Miene.
»Der Name wird dich überraschen, Genosse Huang! Es handelt sich um einen Mann, den wir alle gut kennen und der bislang über allen Verdacht weit erhaben zu sein schien: Khalkha Dayan.«
»Unmöglich!« entfuhr es Huang Ho-Feng.
Ich überging diese Eruption schlechten Benehmens mit Stillschweigen. Je mehr Fehler Huang Ho-Feng sich in meiner Gegenwart leistete, desto bereitwilliger würde er sein, mir meine Vergeßlichkeit zu verzeihen. Ein Mann, der auf eine zwar überraschende, aber wohlfundierte Neuigkeit mit dem unreflektierten Ausruf »Unmöglich!« reagiert, verstößt gegen die Regel des gesitteten, beherrschten Verhaltens. Huang wußte das und nahm sich sofort zusammen.
»Ich nehme an«, sagte er mühsam beherrscht, »daß ausreichendes Beweismaterial vorhanden ist, Genosse Wang? Khalkha Dayan spielt im kulturellen Leben unseres Staates eine derart bedeutende Rolle, daß wir es uns nicht leisten können, ihn grundlos zu verdächtigen.«
»Das ist richtig, Genosse Huang«, gab ich zu. »Khalkha Day an arbeitet aktiv an der Erhaltung alten mongolischen Volksgutes und hat auf diesem Gebiet Unerreichbares geleistet. Gerade das aber hätte uns stutzig machen sollen. Man kümmert sich nicht um altes Volksgut, wenn man nicht auch eine seelische Beziehung dazu hat. Und eines der ältesten mongolischen Ideale ist die Unabhängigkeit von den südasiatischen Räumen.«
Das stimmte ihn nachdenklich. Ich war auf dem besten Wege, meine Schlappe von vorhin wettzumachen. Um das Tempo nicht zu verlieren, fuhr ich ohne längere Pause fort:
»Beweismaterial, das für die Verhaftung von Khalkha Dayan und seinen Mitarbeitern ausreicht, liegt bereits vor. Mehr werden wir bei der Verhaftung selbst erbeuten.«
Er sah mich plötzlich scharf an.
»Besteht die Möglichkeit, Genosse Wang, daß dein gestriges Unglück mit deiner Informationssuche in Zusammenhang stand?«
»Diese Möglichkeit besteht, Genosse Huang«, antwortete ich bescheiden. »Ich habe veranlaßt, daß das Wrack des Hubschraubers genau untersucht wird. Wenn das Ergebnis vorliegt, werden wir wissen, ob die nationalistischen Rebellen dabei die Hände im Spiel hatten.«
Der Mann war beeindruckt, das sah man ihm an. Zum erstenmal spielte ein Lächeln auf seinem Gesicht.
»Du bist ein pflichtbewußter, über dein Alter hinaus weiser Mensch, Genosse Wang. Ich bin sicher, du wirst es noch weit bringen.«
Ich neigte leicht den Kopf.
»Jedem nach seiner Gebühr, aber keinem über das Wohl des Volkes«, zitierte ich einen der Sprüche aus dem Buch der sozialistischen Weisheiten.
»Ich erwarte«, fuhr Huang Ho-Feng fort, »daß du mir das Beweismaterial sofort vorlegst.«
Damit hatte ich mich als entlassen zu betrachten. Ich stand auf. Aber Huang war noch
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