Siddharta
gekämmt, habe Öl im Haare. Weniges
ist, das mir noch fehlt, du Vortreffliche: feine Kleider, feine Schuhe, Geld im Beutel. Wisse, Schwereres hat Siddhartha
sich vorgenommen, als solche Kleinigkeiten sind, und hat es
erreicht. Wie sollte ich nicht erreichen, was ich gestern mir
vorgenommen habe: dein Freund zu sein und die Freuden der
Liebe von dir zu lernen! Du wirst mich gelehrig sehen, Kamala,
Schwereres habe ich gelernt, als was du mich lehren sollst. Und nun also: Siddhartha genügt dir nicht, so wie er ist, mit Öl im Haar, aber ohne Kleider, ohne Schuhe, ohne Geld?«
Lachend rief Kamala: »Nein, Werter, er genügt noch nicht.
Kleider muß er haben, hübsche Kleider, und Schuhe, hübsche
Schuhe, und viel Geld im Beutel, und Geschenke für Kamala.
Weißt du es nun, Samana aus dem Walde? Hast du es dir
gemerkt?«
»Wohl habe ich es mir gemerkt«, rief Siddhartha. »Wie
sollte ich mir nicht merken, was aus einem solchen Munde
kommt! Dein Mund ist wie eine frisch aufgebrochene Feige,
Kamala. Auch mein Mund ist rot und frisch, er wird zu dei-
nem passen, du wirst sehen. - Aber sage, schöne Kamala, hast
du gar keine Furcht vor dem Samana aus dem Walde, der
gekommen ist, um Liebe zu lernen?«
»Warum sollte ich denn Furcht vor einem Samana haben,
einem dummen Samana aus dem Walde, der von den Schakalen
kommt und noch gar nicht weiß, was Frauen sind?«
»Oh, er ist stark, der Samana, und er fürchtet nichts. Er
könnte dich zwingen, schönes Mädchen. Er könnte dich rau-
ben. Er könnte dir weh tun.«
»Nein, Samana, das fürchte ich nicht. Hat je ein Samana
oder ein Brahmane gefürchtet, einer könnte kommen und ihn
packen und ihm seine Gelehrsamkeit, und seine Fröm-
migkeit, und seinen Tiefsinn rauben? Nein, denn die gehören
ihm zu eigen, und er gibt davon nur, was er geben will und
wem er geben will. So ist es, genau ebenso ist es auch mit Ka-
mala, und mit den Freuden der Liebe. Schön und rot ist Ka-
malas Mund, aber versuche, ihn gegen Kamalas Willen zu
küssen, und nicht einen Tropfen Süßigkeit wirst du von ihm
haben, der so viel Süßes zu geben versteht! Du bist gelehrig,
Siddhartha, so lerne auch dies: Liebe kann man erbetteln, er-
kaufen, geschenkt bekommen, auf der Gasse finden, aber
rauben kann man sie nicht. Da hast du dir einen falschen Weg
ausgedacht. Nein, schade wäre es, wenn ein hübscher Jüng-
ling wie du es so falsch angreifen wollte.«
Siddhartha verneigte sich lächelnd. »Schade wäre es, Ka-
mala, wie sehr hast du recht! Überaus schade wäre es. Nein,
von deinem Munde soll mir kein Tropfen Süßigkeit verlo-
rengehen, noch dir von dem meinen! Es bleibt also dabei:
Siddhartha wird wiederkommen, wenn er hat, was ihm noch
fehlt: Kleider, Schuhe, Geld. Aber sprich, holde Kamala,
kannst du mir nicht noch einen kleinen Rat geben?«
»Einen Rat? Warum nicht? Wer wollte nicht gerne einem
armen, unwissenden Samana, der von den Schakalen aus
dem Walde kommt, einen Rat geben?«
»Liebe Kamala, so rate mir: wohin soll ich gehen, daß ich
am raschesten jene drei Dinge finde?«
»Freund, das möchten viele wissen. Du mußt tun, was du
gelernt hast, und dir dafür Geld geben lassen und Kleider und
Schuhe. Anders kommt ein Armer nicht zu Geld. Was kannst
du denn?«
»Ich kann denken. Ich kann warten. Ich kann fasten.«
»Nichts sonst?«
»Nichts. Doch, ich kann auch dichten. Willst du mir für ein
Gedicht einen Kuß geben?«
»Das will ich tun, wenn dein Gedicht mir gefällt. Wie heißt es
denn?«
Siddhartha sprach, nachdem er sich einen Augenblick be-
sonnen hatte, diese Verse:
»In ihren schattigen Hain trat die schöne Kamala, An
Haines Eingang stand der braune Samana. Tief, da er die
Lotusblüte erblickte, Beugte sich jener, lächelnd dankte
Kamala. Lieblicher, dachte der Jüngling, als Göttern zu
opfern, Lieblicher ist es, zu opfern der schönen Kamala.«
Laut klatschte Kamala in die Hände, daß die goldenen Arm-
ringe klangen.
»Schön sind deine Verse, brauner Samana, und wahrlich,
ich verliere nichts, wenn ich dir einen Kuß für sie gebe.«
Sie zog ihn mit den Augen zu sich, er beugte sein Gesicht
auf ihres, und legte seinen Mund auf den Mund, der wie eine
frisch aufgebrochene Feige war. Lange küßte ihn Kamala,
und mit tiefem Erstaunen fühlte Siddhartha, wie sie ihn lehrte, wie sie weise war, wie sie ihn beherrschte, ihn zurückwies, ihn lockte, und wie hinter diesem ersten eine lange, eine
wohlgeordnete,
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