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Siddharta

Siddharta

Titel: Siddharta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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deinen Hain kam, tat ich den ersten
    Schritt. Es war mein Vorsatz, bei dieser schönsten Frau die
    Liebe zu lernen. Von jenem Augenblick an, da ich den
    Vorsatz faßte, wußte ich auch, daß ich ihn ausführen werde.
    Ich wußte, daß du mir helfen würdest, bei deinem ersten
    Blick am Eingang des Haines wußte ich es schon.«
    »Wenn ich aber nicht gewollt hätte?«
    »Du hast gewollt. Sieh, Kamala: wenn du einen Stein ins
    Wasser wirfst, so eilt er auf dem schnellsten Wege zum
    Grunde des Wassers. So ist es, wenn Siddhartha ein Ziel,
    einen Vorsatz hat. Siddhartha tut nichts, er wartet, er denkt,
    er fastet, aber er geht durch die Dinge der Welt hindurch
    wie der Stein durchs Wasser, ohne etwas zu tun, ohne sich
    zu rühren; er wird gezogen, er läßt sich fallen. Sein Ziel
    zieht ihn an sich, denn er läßt nichts in seine Seele ein, was
    dem Ziel widerstreben könnte. Das ist es, was Siddhartha
    bei den Samanas gelernt hat. Es ist das, was die Toren Zau-
    ber nennen und wovon sie meinen, es werde durch die Dä-
    monen bewirkt. Nichts wird von Dämonen bewirkt, es gibt
    keine Dämonen. Jeder kann zaubern, jeder kann seine Ziele
    erreichen, wenn er denken kann, wenn er warten kann,
    wenn er fasten kann.«
    Kamala hörte ihm zu. Sie liebte seine Stimme, sie liebte
    den Blick seiner Augen.
    »Vielleicht ist es so«, sagte sie leise, »wie du sprichst,
    Freund. Vielleicht ist es aber auch so, daß Siddhartha ein
    hübscher Mann ist, daß sein Blick den Frauen gefällt, daß
    darum das Glück ihm entgegenkommt.«
    Mit einem Kuß nahm Siddhartha Abschied. »Möge es so i
    sein, meine Lehrerin. Möge immer mein Blick dir gefallen,
    möge immer von dir mir Glück entgegenkommen!«
    Bei den Kindermenschen
    Siddhartha ging zum Kaufmann Kamaswami, in ein reiches
    Haus ward er gewiesen, Diener führten ihn zwischen kostbaren
    Teppichen in ein Gemach, wo er den Hausherrn erwartete.
    Kamaswami trat ein, ein rascher, geschmeidiger Mann mit
    stark ergrauendem Haar, mit sehr klugen, vorsichtigen
    Augen, mit einem begehrlichen Mund. Freundlich begrüßten
    sich Herr und Gast.
    »Man hat mir gesagt«, begann der Kaufmann, »daß du ein
    Brahmane bist, ein Gelehrter, daß du aber Dienste bei einem
    Kaufmann suchst. Bist du denn in Not geraten, Brahmane,
    daß du Dienste suchst?«
    »Nein«, sagte Siddhartha, »ich bin nicht in Not geraten
    und bin nie in Not gewesen. Wisse, daß ich von den Samanas
    komme, bei welchen ich lange Zeit gelebt habe.«
    »Wenn du von den Samanas kommst, wie solltest du da
    nicht in Not sein? Sind nicht die Samanas völlig besitzlos?«
    »Besitzlos bin ich«, sagte Siddhartha, »wenn es das ist, was
    du meinst. Gewiß bin ich besitzlos. Doch bin ich es freiwillig, bin also nicht in Not.«
    »Wovon aber willst du leben, wenn du besitzlos bist?«
    »Ich habe daran noch nie gedacht, Herr. Ich bin mehr als
    drei Jahre besitzlos gewesen, und habe niemals daran ge-
    dacht, wovon ich leben solle.«
    »So hast du vom Besitz anderer gelebt.«
    »Vermutlich ist es so. Auch der Kaufmann lebt ja von der
    Habe anderer.«
    »Wohl gesprochen. Doch nimmt er von den ändern das
    Ihre nicht umsonst; er gibt ihnen seine Waren dafür.«
    »So scheint es sich in der Tat zu verhalten. Jeder nimmt, jeder gibt, so ist das Leben.«
    »Aber erlaube: wenn du besitzlos bist, was willst du ge-
    ben?«
    »Jeder gibt, was er hat. Der Krieger gibt Kraft, der Kauf-
    mann gibt Ware, der Lehrer Lehre, der Bauer Reis, der Fi-
    scher Fische.«
    »Sehr wohl. Und was ist es nun, was du zu geben hast?
    Was ist es, das du gelernt hast, das du kannst?«
    »Ich kann denken. Ich kann warten. Ich kann fasten.«
    »Das ist alles?«
    »Ich glaube, es ist alles!«
    »Und wozu nützt es? Zum Beispiel das Fasten - wozu ist es
    gut?«
    »Es ist sehr gut, Herr. Wenn ein Mensch nichts zu essen
    hat, so ist Fasten das Allerklügste, was er tun kann. Wenn,
    zum Beispiel, Siddhartha nicht fasten gelernt hätte, so müßte
    er heute noch irgendeinen Dienst annehmen, sei es bei dir
    oder wo immer, denn der Hunger würde ihn dazu zwingen.
    So aber kann Siddhartha ruhig warten, er kennt keine Unge-
    duld, er kennt keine Notlage, lange kann er sich vom Hunger
    belagern lassen und kann dazu lachen. Dazu, Herr, ist Fasten
    gut.«
    »Du hast recht, Samana. Warte einen Augenblick.«
    Kamaswami ging hinaus und kehrte mit einer Rolle wie-
    der, die er seinem Gaste hinreichte, indem er fragte: »Kannst
    du dies lesen?«
    Siddhartha betrachtete die Rolle, in welcher ein

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