Siddharta
Kaufver-
trag niedergeschrieben war, und begann ihren Inhalt vorzu-
lesen.
»Vortrefflich«, sagte Kamaswami. »Und willst du mir et-
was auf dieses Blatt schreiben?«
Er gab ihm ein Blatt und einen Griffel, und Siddhartha
schrieb und gab das Blatt zurück.
Kamaswami las: »Schreiben ist gut, Denken ist besser. 1
Klugheit ist gut, Geduld ist besser.«
»Vorzüglich verstehst du zu schreiben«, lobte der Kauf-
|mann. »Manches werden wir noch miteinander zu sprechen
«haben. Für heute bitte ich dich, sei mein Gast und nimm in l
diesem Hause Wohnung.«
Siddhartha dankte und nahm an, und wohnte nun im
Hause des Händlers. Kleider wurden ihm gebracht, und
Schuhe, und ein Diener bereitete ihm täglich das Bad. Zweimal
am Tage wurde eine reichliche Mahlzeit aufgetragen,
Siddhartha aber aß nur einmal am Tage, und aß weder Fleisch
noch trank er Wein. Kamaswami erzählte ihm von seinem
Handel, zeigte ihm Waren und Magazine, zeigte ihm Berech-
nungen. Vieles Neue lernte Siddhartha kennen, er hörte viel
und sprach wenig. Und der Worte Kamalas eingedenk, ordnete
er sich niemals dem Kaufmann unter, zwang ihn, daß er ihn
als seinesgleichen, ja als mehr denn seinesgleichen behandle.
Kamaswami betrieb seine Geschäfte mit Sorglichkeit und oft
mit Leidenschaft, Siddhartha aber betrachtete dies alles wie ein Spiel, dessen Regeln genau zu lernen er bemüht war, dessen
Inhalt aber sein Herz nicht berührte.
Nicht lange war er in Kamaswamis Hause, da nahm er
schon an seines Hausherrn Handel teil. Täglich aber zu der
Stunde, die sie ihm nannte, besuchte er die schöne Kamala, in
hübschen Kleidern, in feinen Schuhen, und bald brachte er
ihr auch Geschenke mit. Vieles lehrte ihn ihr roter, kluger
Mund. Vieles lehrte ihn ihre zarte, geschmeidige Hand. Ihn,
der in der Liebe noch ein Knabe war und dazu neigte, sich
blindlings und unersättlich in die Lust zu stürzen wie ins Bo-
denlose, lehrte sie von Grund auf die Lehre, daß man Lust
nicht nehmen kann, ohne Lust zu geben, und daß jede Ge-
bärde, jedes Streicheln, jede Berührung, jeder Anblick, jede
kleinste Stelle des Körpers ihr Geheimnis hat, das zu wecken
dem Wissenden Glück bereitet. Sie lehrte ihn, daß Liebende
nach einer Liebesfeier nicht voneinander gehen dürfen, ohne
eins das andere zu bewundern, ohne ebenso besiegt zu sein,
wie gesiegt zu haben, so daß bei keinem von beiden Übersät-
tigung und Öde entstehe und das böse Gefühl, mißbraucht zu
haben oder mißbraucht worden zu sein. Wunderbare Stunden
brachte er bei der schönen und klugen Künstlerin zu, wurde
ihr Schüler, ihr Liebhaber, ihr Freund. Hier bei Kamala lag
der Wert und Sinn seines jetzigen Lebens, nicht im Handel des
Kamaswami.
Der Kaufmann übertrug ihm das Schreiben wichtiger
Briefe und Verträge und gewöhnte sich daran, alle wichtigen
Angelegenheiten mit ihm zu beraten. Er sah bald, daß Sid-
dhartha von Reis und Wolle, von Schiffahrt und Handel wenig
verstand, daß aber seine Hand eine glückliche war, und |daß
Siddhartha ihn, den Kaufmann, übertraf an Ruhe und
Gleichmut, und in der Kunst des Zuhörenkönnens und Ein-
dringens in fremde Menschen. »Dieser Brahmane«, sagte er
zu einem Freunde, »ist kein richtiger Kaufmann und wird nie
einer werden, nie ist seine Seele mit Leidenschaft bei den Ge-
schäften. Aber er hat das Geheimnis jener Menschen, zu
welchen der Erfolg von selber kommt, sei das nun ein
angeborener guter Stern, sei es Zauber, sei es etwas, das er
bei den Samanas gelernt hat. Immer scheint er mit den
Geschäften nur zu spielen, nie gehen sie ganz in ihn ein, nie
beherrschen sie ihn, nie fürchtet er Mißerfolg, nie
bekümmert ihn ein Verlust.«
Der Freund riet dem Händler: »Gib ihm von den Geschäf-
ten, die er für dich treibt, ein Drittel vom Gewinn, laß ihn
(aber auch denselben Anteil des Verlustes treffen, wenn Ver-
lust entsteht. So wird er eifriger werden.«
Kamaswami folgte dem Rat. Siddhartha aber kümmerte
sich wenig darum. Traf ihn Gewinn, so nahm er ihn gleich-
mütig hin; traf ihn Verlust, so lachte er und sagte: »Ei sieh,
dies ist also schlecht gegangen!«
Es schien in der Tat, als seien die Geschäfte ihm gleichgültig.
Einmal reiste er in ein Dorf, um dort eine große Reisernte
aufzukaufen. Als er ankam, war aber der Reis schon an einen
andern Händler verkauft. Dennoch blieb Siddhartha manche
[Tage in jenem Dorf, bewirtete die Bauern, schenkte ihren
Kindern Kupfermünzen, feierte
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