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Siddharta

Siddharta

Titel: Siddharta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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zielte in kein Jenseits. Schön war die Welt, wenn man
    sie so betrachtete, so ohne Suchen, so einfach, so kinderhaft.
    Schön war Mond und Gestirn, schön war Bach und Ufer,
    Wald und Fels, Ziege und Goldkäfer, Blume und
    Schmetterling. Schön und lieblich war es, so durch die Welt zu
    gehen, so kindlich, so erwacht, so dem Nahen aufgetan, so
    ohne Mißtrauen. Anders brannte die Sonne aufs Haupt, anders
    kühlte der Waldschatten, anders schmeckte Bach und Zisterne,
    anders Kürbis und Banane. Kurz waren die Tage, kurz die
    Nächte, jede Stunde floh schnell hinweg wie ein Segel auf dem
    Meere, unterm Segel ein Schiff voll von Schätzen, voll von
    Freuden. Siddhartha sah ein Affenvolk im ho-
    hen Waldgewölbe wandern, hoch im Geäst, und hörte einen
    wilden, gierigen Gesang. Siddhartha sah einen Schafbock ein
    Schaf verfolgen und begatten. Er sah in einem Schilfsee den
    Hecht im Abendhungerjagen, vor ihm her schnellten angst-
    voll, flatternd und blitzend die jungen Fische in Scharen aus
    dem Wasser, Kraft und Leidenschaft duftete dringlich aus
    den hastigen Wasserwirbeln, die der ungestüm Jagende zog.
    All dieses war immer gewesen, und er hatte es nicht gese-
    hen; er war nicht dabeigewesen. Jetzt war er dabei, er gehörte
    dazu. Durch sein Auge lief Licht und Schatten, durch sein
    Herz lief Stern und Mond.
    Siddhartha erinnerte sich unterwegs auch alles dessen, was er
    im Garten Jetavana erlebt hatte, der Lehre, die er dort gehört, des göttlichen Buddha, des Abschiedes von Govinda, des
    Gespräches mit dem Erhabenen. Seiner eigenen Worte, die er
    zum Erhabenen gesprochen hatte, erinnerte er sich wieder,
    jedes Wortes, und mit Erstaunen wurde er dessen inne, daß er
    da Dinge gesagt hatte, die er damals noch gar nicht eigentlich
    wußte. Was er zu Gotama gesagt hatte: sein, des Buddha,
    Schatz und Geheimnis sei nicht die Lehre, sondern das
    Unaussprechliche und nicht Lehrbare, das er einst zur Stunde
    seiner Erleuchtung erlebt habe - dies war es ja eben, was zu
    erleben er jetzt auszog, was zu erleben er jetzt begann. Sich
    selbst mußte er jetzt erleben. Wohl hatte er schon lange
    gewußt, daß sein Selbst Atman sei, vom selben ewigen Wesen
    wie Brahman. Aber nie hatte er dies Selbst wirklich gefunden,
    weil er es mit dem Netz des Gedankens hatte fangen wollen.
    War auch gewiß der Körper nicht das Selbst, und nicht das
    Spiel im Sinne, so war es doch auch das Denken nicht, nicht
    der Verstand, nicht die erlernte Weisheit, nicht die erlernte
    Kunst, Schlüsse zu ziehen und aus schon Gedachtem neue
    Gedanken zu spinnen. Nein, auch diese Gedankenwelt war
    noch diesseits, und es führte zu keinem Ziele, wenn man das
    zufällige Ich der Sinne tötete, dafür aber das zufallige Ich der Gedanken und Gelehrsamkeiten mästete. Beide, die Gedanken
    wie die Sinne, waren hübsche
    Dinge, hinter beiden lag der letzte Sinn verborgen, beide galt es zu hören, mit beiden zu spielen, beide weder zu verachten
    noch zu überschätzen, aus beiden die geheimen Stimmen des
    Innersten zu erlauschen. Nach nichts wollte er trachten, als
    wonach die Stimme ihm zu trachten beföhle, bei nichts ver-
    weilen, als wo die Stimme es riete. Warum war Gotama einst,
    in der Stunde der Stunden, unter dem Bö-Baume nie-
    dergesessen, wo die Erleuchtung ihn traf? Er hatte eine
    Stimme gehört, eine Stimme im eigenen Herzen, die ihm be-
    fahl, unter diesem Baume Rast zu suchen, und er hatte nicht
    Kasteiung, Opfer, Bad oder Gebet, nicht Essen noch Trinken,
    nicht Schlaf noch Traum vorgezogen, er hatte der Stimme
    gehorcht. So zu gehorchen, nicht äußerm Befehl, nur der
    Stimme, so bereit zu sein, das war gut, das war notwendig,
    nichts anderes war notwendig.
    In der Nacht, da er in der strohernen Hütte eines Fährmannes
    am Flusse schlief, hatte Siddhartha einen Traum: Govinda
    stand vor ihm, in einem gelben Asketengewand. Traurig sah
    Govinda aus, traurig fragte er: Warum hast du mich
    verlassen? Da umarmte er Govinda, schlang seine Arme um
    ihn, und indem er ihn an seine Brust zog und küßte, war es
    nicht Govinda mehr, sondern ein Weib, und aus des Weibes
    Gewand quoll eine volle Brust, an der lag Siddhartha und
    trank, süß und stark schmeckte die Milch dieser Brust. Sie
    schmeckte nach Weib und Mann, nach Sonne und Wald, nach
    Tier und Blume, nach jeder Frucht, nach jeder Lust. Sie machte
    trunken und bewußtlos. - Als Siddhartha erwachte,
    schimmerte der bleiche Fluß durch die Tür der Hütte, und im
    Walde klang tief und Wohllaut ein

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