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Siddharta

Siddharta

Titel: Siddharta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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vergiftet,
    gepeinigt, habe mich alt und böse gemacht! Nein, nie mehr
    werde ich, wie ich es einst so gerne tat, mir einbilden, daß
    Siddhartha weise sei! Dies aber habe ich gut gemacht, dies
    gefällt mir, dies muß ich loben, daß es nun ein Ende hat mit
    jenem Haß gegen mich selber, mit jenem törichten und öden
    Leben! Ich lobe dich, Siddhartha, nach so viel Jahren der
    Torheit hast du wieder einmal einen Einfall gehabt, hast etwas
    getan, hast den Vogel in deiner Brust singen hören und bist
    ihm gefolgt!
    So lobte er sich, hatte Freude an sich, hörte neugierig sei-
    nem Magen zu, der vor Hunger knurrte. Ein Stück Leid, ein
    Stück Elend hatte er nun, so fühlte er, in diesen letzten Zeiten und Tagen ganz und gar durchgekostet und ausgespien, bis
    zur Verzweiflung und bis zum Tode ausgefressen. So war es
    gut. Lange noch hätte er bei Kamaswami bleiben können,
    Geld erwerben, Geld vergeuden, seinen Bauch mästen und
    seine Seele verdursten lassen, lange noch hätte er in dieser
    sanften, wohlgepolsterten Hölle wohnen können, wäre dies
    nicht gekommen: der Augenblick der vollkommenen
    Trostlosigkeit und Verzweiflung, jener äußerste Augenblick,
    da er über dem strömenden Wasser hing und bereit war, sich
    zu vernichten. Daß er diese Verzweiflung, diesen tiefsten
    Ekel gefühlt hatte, und daß er ihm nicht erlegen war, daß der
    Vogel, die frohe Quelle und Stimme in ihm doch noch
    lebendig war, darüber fühlte er diese Freude, darüber lachte er, darüber strahlte sein Gesicht unter den ergrauten Haaren.
    »Es ist gut«, dachte er, »alles selber zu kosten, was man zu
    wissen nötig hat. Daß Weltlust und Reichtum nicht vom
    Guten sind, habe ich schon als Kind gelernt. Gewußt habe ich
    es lange, erlebt habe ich es erst jetzt. Und nun weiß ich es,
    weiß es nicht nur mit dem Gedächtnis, sondern mit meinen
    Augen, mit meinem Herzen, mit meinem Magen. Wohl mir,
    daß ich es weiß!«
    Lange sann er nach über seine Verwandlung, lauschte dem
    Vogel, wie er vor Freude sang. War nicht dieser Vogel in ihm
    gestorben, hatte er nicht seinen Tod gefühlt? Nein, etwas
    anderes in ihm war gestorben, etwas, das schon lange sich
    nach Sterben gesehnt hatte. War es nicht das, was er einst in
    seinen glühenden Büßerjahren hatte abtöten wollen? War es
    nicht sein Ich, sein kleines, banges und stolzes Ich, mit dem
    er so viele Jahre gekämpft hatte, das ihn immer wieder
    besiegt hatte, das nach jeder Abtötung wieder da war, Freude
    verbot, Furcht empfand? War es nicht dies, was heute endlich
    seinen Tod gefunden hatte, hier im Walde an diesem
    lieblichen Flusse? War es nicht dieses Todes wegen,
    daß er jetzt wie ein Kind war, so voll Vertrauen, so ohne
    Furcht, so voll Freude?
    Nun auch ahnte Siddhartha, warum er als Brahmane, als
    Büßer vergeblich mit diesem Ich gekämpft hatte. Zu viel
    Wissen hatte ihn gehindert, zu viel heilige Verse, zu viel Op-
    ferregeln, zu viel Kasteiung, zu viel Tun und Streben! Voll
    Hochmut war er gewesen, immer der Klügste, immer der
    Eifrigste, immer allen um einen Schritt voran, immer der
    Wissende und Geistige, immer der Priester oder Weise. In
    dies Priestertum, in diesen Hochmut, in diese Geistigkeit
    hinein hatte sein Ich sich verkrochen, dort saß es fest und
    wuchs, während er es mit Fasten und Buße zu töten meinte.
    Nun sah er es, und sah, daß die heimliche Stimme recht ge-
    habt hatte, daß kein Lehrer ihn je hätte erlösen können.
    Darum hatte er in die Welt gehen müssen, sich an Lust und
    Macht, an Weib und Geld verlieren müssen, hatte ein Händler,
    ein Würfelspieler, Trinker und Habgieriger werden müssen, bis
    der Priester und Samana in ihm tot war. Darum hatte er weiter
    diese häßlichen Jahre ertragen müssen, den Ekel ertragen, die
    Leere, die Sinnlosigkeit eines öden und verlorenen Lebens,
    bis zum Ende, bis zur bittern Verzweiflung, bis auch der
    Lüstling Siddhartha, der Habgierige Siddhartha sterben
    konnte. Er war gestorben, ein neuer Siddhartha war aus dem
    Schlaf erwacht. Auch er würde alt werden, auch er würde
    einst sterben müssen, vergänglich war Siddhartha,
    vergänglich war jede Gestaltung. Heute aber war er jung, war
    ein Kind, der neue Siddhartha, und war voll Freude.
    Diese Gedanken dachte er, lauschte lächelnd auf seinen
    Magen, hörte dankbar einer summenden Biene zu. Heiter
    blickte er in den strömenden Fluß, nie hatte ihm ein Wasser so
    wohl gefallen wie dieses, nie hatte er Stimme und Gleichnis
    des ziehenden Wassers so

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