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Siddharta

Siddharta

Titel: Siddharta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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mein Gast sein und in meiner
    Hütte schlafen, und mir erzählen, woher du kommst, und
    warum deine schönen Kleider dir so lästig sind.«
    Sie waren in die Mitte des Flusses gelangt, und Vasudeva
    legte sich stärker ins Ruder, um gegen die Strömung anzu-
    kommen. Ruhig arbeitete er, den Blick auf der Bootspitze, mit
    kräftigen Armen. Siddhartha saß und sah ihm zu, und erinnerte
    sich, wie schon einstmals, an jenem letzten Tage seiner
    Samana-Zeit, Liebe zu diesem Manne sich in seinem Herzen
    geregt hatte. Dankbar nahm er Vasudevas Einladung an. Als sie
    am Ufer anlegten, half er ihm das Boot an den Pflök-ken
    festbinden, darauf bat ihn der Fährmann, in die Hütte zu treten, bot ihm Brot und Wasser, und Siddhartha aß mit Lust, und aß
    mit Lust auch von den Mangofrüchten, die ihm Vasudeva
    anbot.
    Danach setzten sie sich, es ging gegen Sonnenuntergang,
    auf einem Baumstamm am Ufer, und Siddhartha erzählte dem
    Fährmann seine Herkunft und sein Leben, wie er es heute, in
    jener Stunde der Verzweiflung, vor seinen Augen gesehen
    hatte. Bis tief in die Nacht währte sein Erzählen.
    Vasudeva hörte mit großer Aufmerksamkeit zu. Alles nahm
    er lauschend in sich auf, Herkunft und Kindheit, all das Lernen, all das Suchen, alle Freude, alle Not. Dies war unter des
    Fährmanns Tugenden eine der größten: er verstand wie
    wenige das Zuhören. Ohne daß er ein Wort gesprochen hätte,
    empfand der Sprechende, wie Vasudeva seine Worte in
    sich einließ, still, offen, wartend, wie er keines verlor, keines mit Ungeduld erwartete, nicht Lob noch Tadel daneben
    stellte, nur zuhörte. Siddhartha empfand, welches Glück es ist, einem solchen Zuhörer sich zu bekennen, in sein Herz das
    eigene Leben zu versenken, das eigene Suchen, das eigene
    Leiden.
    Gegen das Ende von Siddharthas Erzählung aber, als er von
    dem Baum am Flusse sprach und von seinem tiefen Fall, vom
    heiligen Om, und wie er nach seinem Schlummer eine solche
    Liebe zu dem Flusse gefühlt hatte, da lauschte der Fährmann
    mit verdoppelter Aufmerksamkeit, ganz und völlig
    hingegeben, mit geschlossnem Auge.
    Als aber Siddhartha schwieg und eine lange Stille gewesen
    war, da sagte Vasudeva: »Es ist so, wie ich dachte. Der Fluß
    hat zu dir gesprochen. Auch dir ist er Freund, auch zu dir
    spricht er. Das ist gut, das ist sehr gut. Bleibe bei mir, Sid-
    dhartha, mein Freund. Ich hatte einst eine Frau, ihr Lager war
    neben dem meinen, doch ist sie schon lange gestorben, lange
    habe ich allein gelebt. Lebe nun du mit mir, es ist Raum und
    Essen für beide vorhanden.«
    »Ich danke dir«, sagte Siddhartha, »ich danke dir und
    nehme an. Und auch dafür danke ich dir, Vasudeva, daß du
    mir so gut zugehört hast! Selten sind die Menschen, welche
    das Zuhören verstehen, und keinen traf ich, der es verstand
    wie du. Auch hierin werde ich von dir lernen.«
    »Du wirst es lernen«, sprach Vasudeva, »aber nicht von
    mir. Das Zuhören hat mich der Fluß gelehrt, von ihm wirst
    auch du es lernen. Er weiß alles, der Fluß, alles kann man von
    ihm lernen. Sieh, auch das hast du schon vom Wasser gelernt,
    daß es gut ist, nach unten zu streben, zu sinken, die Tiefe zu
    suchen. Der reiche und vornehme Siddhartha wird ein Ru-
    derknecht, der gelehrte Brahmane Siddhartha wird ein Fähr-
    mann: auch dies ist dir vom Fluß gesagt worden. Du wirst
    auch das andere von ihm lernen.«
    Sprach Siddhartha, nach einer langen Pause: »Welches an-
    dere, Vasudeva?«
    Vasudeva erhob sich. »Spät ist es geworden«, sagte er, »laß
    uns schlafen gehen. Ich kann dir das >andere< nicht sagen, o Freund. Du wirst es lernen, vielleicht auch weißt du es schon.
    Sieh, ich bin kein Gelehrter, ich verstehe nicht zu sprechen,
    ich verstehe auch nicht zu denken. Ich verstehe nur zuzuhören
    und fromm zu sein, sonst habe ich nichts gelernt. Könnte ich es sagen und lehren, so wäre ich vielleicht ein Weiser, so aber bin ich nur ein Fährmann, und meine Aufgabe ist es, Menschen
    über diesen Fluß zu setzen. Viele habe ich übergesetzt,
    Tausende, und ihnen allen ist mein Fluß nichts anderes
    gewesen als ein Hindernis auf ihren Reisen. Sie reisten nach
    Geld und Geschäften, und zu Hochzeiten, und zu Wallfahrten,
    und der Fluß war ihnen im Wege, und der Fährmann war dazu
    da, sie schnell über das Hindernis hinwegzubringen. Einige
    unter den Tausenden aber, einige wenige, vier oder fünf,
    denen hat der Fluß aufgehört, ein Hindernis zu sein, sie haben
    seine Stimme gehört, sie haben ihm

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