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Siddharta

Siddharta

Titel: Siddharta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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umhalste er seine Mutter, und auch sie stimmte in seine
    lauten Hilferufe ein, bis die Töne Vasudevas Ohr erreichten,
    der bei der Fähre stand. Schnell kam er gegangen, nahm die
    Frau auf die Arme, trug sie ins Boot, der Knabe lief mit, und
    bald kamen sie alle in der Hütte an, wo Siddhartha am Herde
    stand und eben Feuer machte. Er blickte auf und sah zuerst das
    Gesicht des Knaben, das ihn wunderlich erinnerte, an
    Vergessenes mahnte. Dann sah er Kamala, die er
    alsbald erkannte, obwohl sie besinnungslos im Arm des
    Fährmanns lag, und nun wußte er, daß es sein eigener Sohn
    sei, dessen Gesicht ihn so sehr gemahnt hatte, und das Herz
    bewegte sich in seiner Brust.
    Kamalas Wunde wurde gewaschen, war aber schon schwarz
    und ihr Leib angeschwollen, ein Heiltrank wurde ihr
    eingeflößt. Ihr Bewußtsein kehrte zurück, sie lag auf
    Siddharthas Lager in der Hütte, und über sie gebeugt stand
    Siddhartha, der sie einst so sehr geliebt hatte. Es schien ihr ein Traum zu sein, lächelnd blickte sie in ihres Freundes Gesicht,
    nur langsam erkannte sie ihre Lage, erinnerte sich des Bisses,
    rief ängstlich nach dem Knaben.
    »Er ist bei dir, sei ohne Sorge«, sagte Siddhartha.
    Kamala blickte in seine Augen. Sie sprach mit schwerer
    Zunge, vorn Gift gelähmt. »Du bist alt geworden, Lieber«,
    sagte sie, »grau bist du geworden. Aber du gleichst dem
    jungen Samana, der einst ohne Kleider mit staubigen Füßen
    zu mir in den Garten kam. Du gleichst ihm viel mehr, als du
    ihm damals glichest, da du mich und Kamaswami verlassen
    hast. In den Augen gleichst du ihm, Siddhartha. Ach, auch ich
    bin alt geworden, alt - kanntest du mich denn noch?«
    Siddhartha lächelte: »Sogleich kannte ich dich, Kamala,
    Liebe.«
    Kamala deutete auf ihren Knaben und sagte: »Kanntest du
    auch ihn? Er ist dein Sohn.«
    Ihre Augen wurden irr und fielen zu. Der Knabe weinte,
    Siddhartha nahm ihn auf seine Knie, ließ ihn weinen, strei-
    chelte sein Haar, und beim Anblick des Kindergesichtes fiel
    ein brahmanisches Gebet ihm ein, das er einst gelernt hatte,
    als er selbst ein kleiner Knabe war. Langsam, mit singender
    Stimme, begann er es zu sprechen, aus der Vergangenheit
    und Kindheit her kamen ihm die Worte geflossen. Und unter
    seinem Singsang wurde der Knabe ruhig, schluchzte noch hin
    und wieder auf und schlief ein. Siddhartha legte ihn auf
    Vasudevas Lager. Vasudeva stand am
    Herd und kochte Reis. Siddhartha warf ihm einen Blick zu,
    den er lächelnd erwiderte.
    »Sie wird sterben«, sagte Siddhartha leise.
    Vasudeva nickte, über sein freundliches Gesicht lief der
    Feuerschein vom Herde.
    Nochmals erwachte Kamala zum Bewußtsein. Schmerz
    verzog ihr Gesicht, Siddharthas Auge las das Leiden auf ihrem
    Munde, auf ihren erblaßten Wangen. Stille las er es, auf-
    merksam, wartend, in ihr Leiden versenkt. Kamala fühlte es, ihr Blick suchte sein Auge.
    Ihn anblickend, sagte sie: »Nun sehe ich, daß auch deine
    Augen sich verändert haben. Ganz anders sind sie geworden.
    Woran doch erkenne ich noch, daß du Siddhartha bist? Du
    bist es, und bist es nicht.«
    Siddhartha sprach nicht, still blickten seine Augen in die
    ihren.
    »Du hast es erreicht?« fragte sie. »Du hast Friede gefun-
    den?«
    Er lächelte und legte seine Hand auf ihre.
    »Ich sehe es«, sagte sie, »ich sehe es. Auch ich werde Friede
    finden.«
    »Du hast ihn gefunden«, sprach Siddhartha flüsternd.
    Kamala blickte ihm unverwandt in die Augen. Sie dachte
    daran, daß sie zu Gotama hatte pilgern wollen, um das Gesicht
    eines Vollendeten zu sehen, um seinen Frieden zu atmen, und
    daß sie statt seiner nun ihn gefunden, und daß es gut war,
    ebenso gut, als wenn sie jenen gesehen hätte. Sie wollte es ihm sagen, aber die Zunge gehorchte ihrem Willen nicht mehr.
    Schweigend sah sie ihn an, und er sah in ihren Augen das
    Leben erlöschen. Als der letzte Schmerz ihr Auge erfüllte und
    brach, als der letzte Schauder über ihre Glieder lief, schloß
    sein Finger ihre Lider.
    Lange saß er und blickte auf ihr entschlafenes Gesicht.
    Lange betrachtete er ihren Mund, ihren alten, müden Mund
    mit den schmal gewordenen Lippen, und erinnerte sich, daß er
    einst, im Frühling seiner Jahre, diesen Mund einer frisch
    aufgebrochenen Feige verglichen hatte. Lange saß er, las in
    dem bleichen Gesicht, in den müden Falten, füllte sich mit
    dem Anblick, sah sein eigenes Gesicht ebenso liegen, ebenso
    weiß, ebenso erloschen, und sah zugleich sein Gesicht und
    das ihre jung, mit den roten

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