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Siddharta

Siddharta

Titel: Siddharta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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stark und schön vernommen. Ihm
    schien, es habe der Fluß ihm etwas Besonderes zu sagen, etwas,
    das er noch nicht wisse, das noch auf ihn warte. In diesem Fluß hatte sich Siddhartha ertränken wollen, in ihm war der alte,
    müde, verzweifelte Siddhartha heute ertrunken. Der
    neue Siddhartha aber fühlte eine tiefe Liebe zu diesem strö-
    menden Wasser und beschloß bei sich, es nicht so bald wieder
    zu verlassen.
    Der Fährmann
    An diesem Fluß will ich bleiben, dachte Siddhartha, es ist
    derselbe, über den ich einstmals auf dem Wege zu den Kin-
    dermenschen gekommen bin, ein freundlicher Fährmann hat
    mich damals geführt, zu ihm will ich gehen, von seiner Hütte
    aus führte mich einst mein Weg in ein neues Leben, das nun
    alt geworden und tot ist - möge auch mein jetziger Weg,
    mein jetziges neues Leben dort seinen Ausgang nehmen!
    Zärtlich blickte er in das strömende Wasser, in das durch-
    sichtige Grün, in die kristallenen Linien seiner geheimnisrei-
    chen Zeichnung. Lichte Perlen sah er aus der Tiefe steigen,
    stille Luftblasen auf dem Spiegel schwimmen, Himmels-
    bläue darin abgebildet. Mit tausend Augen blickte der Fluß
    ihn an, mit grünen, mit weißen, mit kristallnen, mit himmel-
    blauen. Wie liebte er dies Wasser, wie entzückte es ihn, wie
    war er ihm dankbar! Im Herzen hörte er die Stimme spre-
    chen, die neu erwachte, und sie sagte ihm: Liebe dies Wasser!
    Bleibe bei ihm! Lerne von ihm! O ja, er wollte von ihm lernen,
    er wollte ihm zuhören. Wer dies Wasser und seine Ge-
    heimnisse verstünde, so schien ihm, der würde auch viel an-
    deres verstehen, viele Geheimnisse, alle Geheimnisse.
    Von den Geheimnissen des Flusses aber sah er heute nur
    eines, das ergriff seine Seele. Er sah: dies Wasser lief und lief, immerzu lief es, und war doch immer da, war immer und al-lezeit dasselbe und doch jeden Augenblick neu! Oh, wer dies
    faßte, dies verstünde! Er verstand und faßte es nicht, fühlte
    nur Ahnung sich regen, ferne Erinnerung, göttliche Stim-
    men.
    Siddhartha erhob sich, unerträglich wurde das Treiben des
    Hungers in seinem Leibe. Hingenommen wanderte er wei-
    ter, den Uferpfad hinan, dem Strom entgegen, lauschte auf die
    Strömung, lauschte auf den knurrenden Hunger in seinem
    Leibe.
    Als er die Fähre erreichte, lag eben das Boot bereit, und
    derselbe Fährmann, welcher einst den jungen Samana über
    den Fluß gesetzt hatte, stand im Boot, Siddhartha erkannte
    ihn wieder, auch er war stark gealtert.
    »Willst du mich übersetzen?« fragte er.
    Der Fährmann, erstaunt, einen so vornehmen Mann allein
    und zu Fuße wandern zu sehen, nahm ihn ins Boot und stieß
    ab.
    »Ein schönes Leben hast du dir erwählt«, sprach der Gast.
    »Schön muß es sein, jeden Tag an diesem Wasser zu leben
    und auf ihm zu fahren.«
    Lächelnd wiegte sich der Ruderer: »Es ist schön, Herr, es
    ist, wie du sagst. Aber ist nicht jedes Leben, ist nicht jede Arbeit schön?«
    »Es mag wohl sein. Dich aber beneide ich um die deine.«
    »Ach, du möchtest bald die Lust an ihr verlieren. Das ist
    nichts für Leute in feinen Kleidern.«
    Siddhartha lachte. »Schon einmal bin ich heute um meiner
    Kleider willen betrachtet worden, mit Mißtrauen betrachtet.
    Willst du nicht, Fährmann, diese Kleider, die mir lästig sind,
    von mir annehmen? Denn du mußt wissen, ich habe kein
    Geld, dir einen Fährlohn zu zahlen.«
    »Der Herr scherzt«, lachte der Fährmann.
    »Ich scherze nicht, Freund. Sieh, schon einmal hast du
    mich in deinem Boot über dies Wasser gefahren, um Gottes-
    lohn. So tue es auch heute, und nimm meine Kleider dafür
    an.«
    »Und will der Herr ohne Kleider Weiterreisen?«
    »Ach, am liebsten wollte ich gar nicht Weiterreisen. Am
    liebsten wäre es mir, Fährmann, wenn du mir eine alte
    Schürze gäbest und behieltest mich als deinen Gehilfen bei
    dir, vielmehr als deinen Lehrling, denn erst muß ich lernen,
    mit dem Boot umzugehen.«
    Lange blickte der Fährmann den Fremden an, suchend.
    »Jetzt erkenne ich dich«, sagte er endlich. »Einst hast du in
    meiner Hütte geschlafen, lange ist es her, wohl mehr als
    zwanzig Jahre mag das her sein, und bist von mir über den
    Fluß gebracht worden, und wir nahmen Abschied voneinander
    wie gute Freunde. Warst du nicht ein Samana? Deines
    Namens kann ich mich nicht mehr entsinnen.«
    »Ich heiße Siddhartha, und ich war ein Samana, als du
    mich zuletzt gesehen hast.«
    »So sei willkommen, Siddhartha. Ich heiße Vasudeva. Du
    wirst, so hoffe ich, auch heute

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