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Siddharta

Siddharta

Titel: Siddharta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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Lippen, mit dem brennenden
    Auge, und das Gefühl der Gegenwart und Gleichzeitigkeit
    durchdrang ihn völlig, das Gefühl der Ewigkeit. Tief emp-
    fand er, tiefer als jemals, in dieser Stunde die Unzerstörbar-
    keit jedes Lebens, die Ewigkeit jedes Augenblicks.
    Da er sich erhob, hatte Vasudeva Reis für ihn bereitet.
    Doch aß Siddhartha nicht. Im Stall, wo ihre Ziege stand,
    machten sich die beiden Alten eine Streu zurecht, und Vasu-
    deva legte sich schlafen. Siddhartha aber ging hinaus und saß
    die Nacht vor der Hütte, dem Flusse lauschend, von Vergan-
    genheit umspült, von allen Zeiten seines Lebens zugleich be-
    rührt und umfangen. Zuweilen aber erhob er sich, trat an die
    Hüttentür und lauschte, ob der Knabe schlafe.
    Früh am Morgen, noch ehe die Sonne sichtbar ward, kam
    Vasudeva aus dem Stalle und trat zu seinem Freunde.
    »Du hast nicht geschlafen«, sagte er.
    »Nein, Vasudeva. Ich saß hier, ich hörte dem Flusse zu.
    Viel hat er mir gesagt, tief hat er mich mit dem heilsamen Ge-
    danken erfüllt, mit dem Gedanken der Einheit.«
    »Du hast Leid erfahren, Siddhartha, doch ich sehe, es ist
    keine Traurigkeit in dein Herz gekommen.«
    »Nein, Lieber, wie sollte ich denn traurig sein? Ich, der ich
    reich und glücklich war, bin jetzt noch reicher und glückli-
    cher geworden. Mein Sohn ist mir geschenkt worden.«
    »Willkommen sei dein Sohn auch mir. Nun aber, Siddhar-
    tha, laß uns an die Arbeit gehen, viel ist zu tun. Auf demselben Lager ist Kamala gestorben, auf welchem einst mein Weib
    gestorben ist. Auf demselben Hügel auch wollen wir
    Kamalas Scheiterhaufen bauen, auf welchem ich einst meines
    Weibes Scheiterhaufen gebaut habe.«
    Während der Knabe noch schlief, bauten sie den Scheiter-
    haufen.
    Der Sohn
    Scheu und weinend hatte der Knabe der Bestattung seiner
    Mutter beigewohnt, finster und scheu hatte er Siddhartha an-
    gehört, der ihn als seinen Sohn begrüßte und ihn bei sich in
    Vasudevas Hütte willkommen hieß. Bleich saß er tagelang
    am Hügel der Toten, mochte nicht essen, verschloß seinen
    Blick, verschloß sein Herz, wehrte und sträubte sich gegen
    das Schicksal.
    Siddhartha schonte ihn und ließ ihn gewähren, er ehrte
    seine Trauer. Siddhartha verstand, daß sein Sohn ihn nicht
    kenne, daß er ihn nicht lieben könne wie einen Vater. Langsam
    sah und verstand er auch, daß der Elfjährige ein verwöhnter
    Knabe war, ein Mutterkind, und in Gewohnheiten des
    Reichtums aufgewachsen, gewöhnt an feinere Speisen, an ein
    weiches Bett, gewohnt, Dienern zu befehlen. Siddhartha
    verstand, daß der Trauernde und Verwöhnte nicht plötzlich
    und gutwillig in der Fremde und Armut sich zufrieden geben
    könne. Er zwang ihn nicht, er tat manche Arbeit für ihn,
    suchte stets den besten Bissen für ihn aus. Langsam hoffte
    er, ihn zu gewinnen, durch freundliche Geduld.
    Reich und glücklich hatte er sich genannt, als der Knabe zu
    ihm gekommen war. Da indessen die Zeit hinfloß, und der
    Knabe fremd und finster blieb, da er ein stolzes und trotziges
    Herz zeigte, keine Arbeit tun wollte, den Alten keine Ehr-
    furcht erwies, Vasudevas Fruchtbäume beraubte, da begann
    Siddhartha zu verstehen, daß mit seinem Sohne nicht Glück
    und Friede zu ihm gekommen war, sondern Leid und Sorge.
    Aber er liebte ihn, und lieber war ihm Leid und Sorge der
    Liebe, als ihm Glück und Freude ohne den Knaben gewesen
    war.
    Seit der junge Siddhartha in der Hütte war, hatten die Alten
    sich die Arbeit geteilt. Vasudeva hatte das Amt des Fährmanns
    wieder allein übernommen, und Siddhartha, um bei seinem
    Sohne zu sein, die Arbeit in Hütte und Feld.
    Lange Zeit, lange Monate wartete Siddhartha darauf, daß
    sein Sohn ihn verstehe, daß er seine Liebe annehme, daß er sie
    vielleicht erwidere. Lange Monate wartete Vasudeva, zuse-
    hend, wartete und schwieg. Eines Tages, als Siddhartha der
    Junge seinen Vater wieder sehr mit Trotz und Launen gequält
    und ihm beide Reisschüsseln zerbrochen hatte, nahm Vasu-
    deva seinen Freund am Abend beiseite und sprach mit ihm.
    »Entschuldige mich«, sagte er, »aus freundlichem Herzen
    rede ich zu dir. Ich sehe, daß du dich quälst, ich sehe, daß du Kummer hast. Dein Sohn, Lieber, macht dir Sorge, und auch
    mir macht er Sorge. An ein anderes Leben, an ein anderes
    Nest ist der junge Vogel gewöhnt. Nicht wie du ist er dem
    Reichtum und der Stadt entlaufen aus Ekel und Überdruß, er
    hat wider seinen Willen dies alles dahinten lassen müssen. Ich
    fragte den Fluß, o

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