Sie
auf mich gerichtet zu haben. Ja, bleibe so sitzen und sage mir – denn, wahrhaftig, mich verlangt nach Schmeicheleien –, sage mir, bin ich nicht schön? Nein, nicht so hastig, überlege es dir gut; prüfe mich Zug um Zug, vergiß meine Gestalt nicht, meine Hände und Füße und mein Haar und die Weiße meiner Haut, und nun sage mir ehrlich, hast du je ein Weib gesehen, das auch nur in einem kleinen Teil ihrer Schönheit, im Schwung einer Augenbraue oder in der Wölbung eines muschelgleichen Ohres, sein Licht neben meiner Schönheit leuchten lassen dürfte? Und nun meine Taille! Vielleicht findest du sie zu weit, doch das ist sie nicht; nur diese goldene Schlange hier ist zu groß und liegt nicht so eng an, wie sie sollte. Es ist eine kluge Schlange, die wohl weiß, daß man die Taille nicht zu fest schnüren darf. Doch jetzt gib mir deine Hände – so – lege sie um mich – ein wenig fester – siehst du, wie deine Finger sich berühren, o Holly!«
Ich ertrug es nicht länger. Ich bin nur ein Mann, doch sie war mehr als ein Weib. Weiß der Himmel, was sie war – ich weiß es nicht! Doch ich sank auf der Stelle vor ihr auf die Knie und gestand ihr in einem kläglichen Sprachengemisch – denn in solchen Augenblicken verwirren sich die Gedanken –, daß ich sie anbetete, wie noch nie ein Weib angebetet wurde, daß ich meine unsterbliche Seele dafür hingeben würde, wenn sie die Meine werden wolle, was ich damals in der Tat zu tun bereit gewesen wäre. Einen Augenblick schien sie ein wenig erstaunt, dann lachte sie und klatschte vergnügt in die Hände.
»Oh, so schnell, o Holly!« rief sie. »Ich habe mich gefragt, wie lange es wohl dauern würde, dich auf die Knie zu bringen. Wie lange ist es her, daß ich einen Mann vor mir knien sah, und glaube mir, süß ist dieser Anblick für ein Weib, ein holdes Glück, welches unseres Geschlechtes einziges Vorrecht ist und das weder Weisheit noch die Länge der Tage mindern können.
Was willst du? – Was willst du? Oh, du weißt nicht, was du tust. Habe ich dir nicht gesagt, daß ich nicht die Deine sein kann? Ich liebe nur einen, und der bist du nicht. Ach, Holly, trotz all deiner Weisheit – und auf deine Art bist du weise – bist du nur ein Tor, der einer Torheit nachjagt. Ins Auge willst du mir schauen, küssen willst du mich! Wohlan, wenn es dich beglückt, so schaue!« Und sie neigte sich mir zu und richtete ihre dunklen, funkelnden Augen auf die meinen; »ja, und küsse mich auch, wenn du willst, denn dank der Welt weisem Plan hinterlassen Küsse keine Spuren, es sei denn im Herzen. Doch merke, wenn du mich küßt, so wird sich dein Herz vor Liebe nach mir verzehren, und du wirst sterben!« Und sie neigte sich noch weiter zu mir vor, bis ihr weiches Haar meine Stirn streifte und ihr duftender Atem über mein Gesicht hauchte und mich lähmte. Schon streckte ich die Arme aus, sie an mich zu ziehen, da richtete sie sich plötzlich auf, und eine rasche Veränderung ging mit ihr vor. Sie hob die Hand und hielt sie über meinen Kopf, und mir war, als ströme irgend etwas in mich, das mir die Sinne kühlte und mir das Bewußtsein von Schicklichkeit und Anstand zurückgab.
»Genug der Tändelei«, sagte sie in ernstem Ton. »Höre mich an, Holly. Du bist ein guter, ehrenhafter Mann, und ich möchte dich schonen; doch, ach! es ist für ein Weib so schwer, barmherzig zu sein. Ich habe dir gesagt, daß ich die Deine nicht sein kann, verscheuche deshalb deine Gedanken, lasse den Staub deiner Phantasie wieder in die Tiefen – nun, der Verzweiflung sinken, wenn es sein muß. Du kennst mich nicht, Holly. Hättest du mich vor nur zehn Stunden gesehen, als meine Leidenschaft mich packte, so wärest du zitternd vor Furcht zurückgewichen. Meiner Launen sind gar viele, und ich spiegle wie das Wasser in jenem Gefäß viele Dinge; doch sie vergehen, mein Holly, sie vergehen und sind vergessen. Nur das Wasser bleibt das Wasser, und ich bleibe ich und kann mich in meinem Wesen nicht ändern. Deshalb lasse dich nicht von dem verlocken, was ich zu sein scheine; sieh ein, daß du nicht wissen kannst, was ich bin. Wenn du mich noch einmal quälst, so werde ich mich wieder verschleiern, und du wirst mein Gesicht nie mehr sehen.«
Ich erhob mich und sank auf die Kissen neben ihr, noch immer zitternd vor Erregung, obwohl die tolle Leidenschaft mich für einen Augenblick verlassen hatte – wie die Blätter eines Baumes noch immer zittern, wenn der Sturm vorüber ist. Ich wagte
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