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Sie belieben wohl zu scherzen, Mr. Feynman

Sie belieben wohl zu scherzen, Mr. Feynman

Titel: Sie belieben wohl zu scherzen, Mr. Feynman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard P. Feynman
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Polarisator dunkel oder hell ist, herausfinden kann, in welcher Ebene das Licht polarisiert wird.
    Wir nahmen zunächst zwei Streifen polarisierendes Material und drehten sie so lange, bis sie die größte Menge Licht durchließen. Aufgrund dessen konnten wir feststellen, daß die beiden Streifen nun Licht durchließen, das in der gleichen Richtung polarisiert wurde - was durch den einen Polarisator ging, ging auch durch den anderen hindurch. Aber dann fragte ich, wie man mit einem einzigen Stück polarisierenden Materials die absolute Richtung der Polarisierung feststellen kann. Sie hatten keine Ahnung.
    Ich wußte, daß man dazu ein gewisses Maß an Findigkeit brauchte, deshalb gab ich ihnen einen Hinweis: »Schauen Sie auf das Licht, das draußen vom Wasser in der Bucht reflektiert wird.«
    Keiner sagte etwas.
    Dann fragte ich: »Haben Sie schon mal etwas vom Brewsterschen Winkel gehört?«
    »Ja. Der Brewstersche Winkel ist der Winkel, bei dem Licht, das von einem Medium mit einem Brechungsindex reflektiert wird, vollständig polarisiert ist.«
    »Und wie ist das Licht polarisiert, wenn es reflektiert wird?«
    »Das Licht ist senkrecht zur Reflektionsebene polan siert.« Ich muß mir das sogar jetzt noch überlegen; sie wuß ten es auf Anhieb! Sie wußten sogar, daß der Tangens des Winkels gleich dem Index ist!
    Ich fragte: »Na, und was folgt daraus?«
    Immer noch nichts. Dabei hatten sie mir gerade erzählt, daß Licht, das von einem Medium mit Brechungsindex wie dem Wasser draußen in der Bucht reflektiert wird, polarisiert ist; sie hatten mir sogar gesagt, wie es polarisiert ist.
    Ich sagte: »Schauen Sie durch den Polarisator auf die Bucht dort draußen. Und jetzt drehen Sie den Polarisator.«
    »Ooh«, sagten sie, »das ist ja polarisiert!«
    Nach allerlei Nachforschungen fand ich schließlich heraus, daß die Studenten alles auswendig gelernt hatten, aber nicht wußten, was es bedeutete. Wenn sie hörten: »Licht, das von einem Medium mit Brechungsindex reflektiert wird«, wußten sie nicht, daß damit ein Material wie zum Beispiel Wasser gemeint war. Sie wußten nicht, daß die »Richtung des Lichts« die Richtung ist, in der man etwas sieht , wenn man darauf schaut, und so weiter. Alles war ganz und gar auswendig gelernt, aber nichts war in sinnvolle Worte übersetzt worden. Wenn ich also fragte: »Was ist der Brewstersche Winkel?«, war es, als würde ich die Antwort mit dem richtigen Stichwort aus einem Computer abrufen. Wenn ich dagegen sagte: »Schauen Sie auf das Wasser«, tat sich nichts - denn unter »Schauen Sie auf das Wasser!« hatten sie nichts abgespeichert.
    Später wohnte ich einer Vorlesung an der Technischen Hochschule bei. Die Vorlesung lief, ins Englische übersetzt, etwa so ab: »Zwei Körper... gelten als äquivalent..., wenn gleiche Drehmomente ... gleiche Beschleunigung hervorrufen. Zwei Körper gelten als äquivalent, wenn gleiche Drehmomente gleiche Beschleunigung hervorrufen.« Die Studenten saßen alle da und nahmen ein Diktat auf, und wenn der Professor den Satz wiederholte, kontrollierten sie, ob sie auch alles richtig mitgeschrieben hatten. Dann schrieben sie den nächsten Satz hin und so weiter. Ich war der einzige, der wußte, daß der Professor über Objekte mit gleichen Trägheitsmomenten sprach, und es fiel schwer, das zu verstehen.
    Ich sah nicht, wie sie daraus etwas lernen konnten. Er stand da und redete über Trägheitsmomente, aber es wurde nicht besprochen, daß eine Tür, wenn man außen schwere Gewichte daran hängt, schwerer zu öffnen ist, als wenn man die Gewichte in der Nähe der Angeln befestigt - nichts!
    Nach der Vorlesung sprach ich mit einem der Studenten: »Sie machen sich all diese Notizen - was tun Sie damit?«
    »Oh, wir lernen damit«, sagte er. »Wir müssen ein Examen ablegen.«
    »Was wird dabei geprüft?«
    »Ganz einfach. Ich kann Ihnen jetzt schon sagen, wie eine der Fragen lauten wird.« Er schaute in sein Notizbuch und sagte: »>Wann sind zwei Körper äquivalent?< Und die Antwort ist: >Zwei Körper gelten als äquivalent, wenn gleiche Drehmomente gleiche Beschleunigung hervorrufen.«« Es war also möglich, die Prüfungen zu bestehen und dieses ganze Zeug zu »lernen«, ohne das geringste zu wissen , abgesehen von dem, was auswendig gelernt worden war.
    Dann ging ich zu einer Aufnahmeprüfung für Studenten, die an der Technischen Hochschule studieren wollten. Es war eine mündliche Prüfung, und ich durfte zuhören. Einer der Studenten

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