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Sie belieben wohl zu scherzen, Mr. Feynman

Sie belieben wohl zu scherzen, Mr. Feynman

Titel: Sie belieben wohl zu scherzen, Mr. Feynman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard P. Feynman
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verwendeten. Sie hielten dieses Buch für besonders gut, weil es in verschiedenen Schriften gedruckt war - fett für die wichtigsten Dinge, die man sich einprägen soll, halbfett für weniger Wichtiges und so weiter.
    Sofort sagte jemand: »Sie werden doch nichts Schlechtes über das Lehrbuch sagen, oder? Der Verfasser ist hier, und es gilt allgemein als vorzügliches Lehrbuch.«
    »Sie haben doch versprochen, daß ich alles sagen kann.«
    Der Vortragssaal war voll. Ich begann, indem ich die Wissenschaft als Verstehen des Verhaltens der Natur definierte. Dann stellte ich die Frage: »Weshalb wird Wissenschaft gelehrt? Natürlich kann sich ein Land so lange nicht für zivilisiert halten, bis... und blah, blah, blah.« Sie saßen alle da und nickten, denn das ist ja genau das, was sie denken.
    Dann sagte ich: »Das ist natürlich absurd, denn warum sollten wir meinen, wir müßten mit anderen Ländern mithalten? Wir müssen es aus einem guten Grund tun, einem sinnvollen Grund; nicht bloß weil es andere Länder auch tun.« Dann sprach ich über den Nutzen der Wissenschaft und über ihren Beitrag zur Verbesserung der menschlichen Lebensbedingungen und all das - ich nahm sie wirklich ein bißchen auf den Arm.
    Dann sagte ich: »Der Hauptzweck meines Vertrags ist, Ihnen zu beweisen, daß in Brasilien keine Wissenschaft gelehrt wird!«
    Ich konnte sehen, wie sie unruhig wurden, weil sie dachten: »Wie bitte? Keine Wissenschaft? Das ist ja völlig irre! Wir haben doch all diese Universitätsveranstaltungen.«
    So erzählte ich ihnen, eines der ersten Dinge, die mir auffielen, als ich nach Brasilien kam, sei gewesen, daß man in den Buchläden Kinder aus der Grundschule sieht, die Physikbücher kaufen. Es gebe in Brasilien so viele Kinder, die Physik lernten, und sie begännen damit viel früher als die Kinder in den Vereinigten Staaten, so daß es erstaunlich sei, daß es in Brasilien nicht viele Physiker gebe - woran das liege? So viele Kinder arbeiteten so hart, und nichts komme dabei heraus.
    Dann zog ich einen Vergleich mit einem Gräzisten, der die griechische Sprache liebt, aber weiß, daß in seinem eigenen Land nicht viele Kinder Griechisch lernen. Doch dann kommt er in ein anderes Land und freut sich, daß alle Leute Griechisch lernen - sogar die kleinen Kinder in der Grundschule. Er geht zur Prüfung eines Studenten, der seinen Abschluß in Griechisch machen will, und fragt ihn: »Was hat Sokrates über das Verhältnis von Wahrheit und Schönheit gelehrt?« - und der Student kann nicht antworten. Dann fragt er ihn: »Was hat Sokrates im Dritten Symposion zu Platon gesagt?«, und der Student strahlt und: »Rrrrrrrrrr-t« - rasselt er alles, Wort für Wort, in wunderschönem Griechisch herunter, was Sokrates gesagt hat.
    Aber worüber Sokrates im Dritten Symposium gesprochen hat, war eben das Verhältnis von Wahrheit und Schönheit!
    Was dieser Gräzist entdeckt, ist, daß die Studenten in dem anderen Land Griechisch lernen, indem sie zuerst lernen, die Buchstaben auszusprechen, dann die Worte und dann Sätze und Absätze. Sie sind imstande, Wort für Wort zu rezitieren, was Sokrates gesagt hat, ohne sich darüber klar zu sein, daß diese griechischen Worte wirklich etwas bedeuten. Für den Studenten sind das alles bedeutungslose Laute. Niemand hat sie je in Worte übersetzt, die die Studenten verstehen können.
    Ich sagte: »So wirkt das auf mich, wenn ich sehe, wie Sie hier in Brasilien den Kindern >Wissenschaft beibringen.« (Ein Knalleffekt, was?)
    Dann hielt ich das Lehrbuch zu Einführung in die Physik, das sie benutzten, in die Höhe. »In diesem Buch werden nirgendwo Resultate von Experimenten erwähnt, außer an einer Stelle, wo es um eine Kugel geht, die eine schräge Ebene hinabrollt, wo steht, wie weit die Kugel nach einer Sekunde, zwei Sekunden, drei Sekunden und so weiter gerollt ist. Die Zahlen weisen >Abweichungen< auf - das heißt, wenn man sie sich anschaut, denkt man, man hat es mit Ergebnissen von Experimenten zu tun, denn die Zahlen liegen ein wenig über oder unter den theoretischen Werten. Das Buch weist sogar darauf hin, daß man die Abweichungen beim Experiment korrigieren muß - sehr schön. Das Ärgerliche ist bloß, wenn man den Wert der Beschleunigungskonstante aus diesen Werten berechnet, erhält man die richtige Antwort. Aber eine Kugel, die eine schräge Ebene hinunterrollt, hat, wenn man das tatsächlich durchführt , eine Trägheit, die bewirkt, daß sie sich dreht, und wird, wenn

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