Sie belieben wohl zu scherzen, Mr. Feynman
»Ich gebe Ihnen drei Zeichnungen, wenn sie einmal umsonst Modell stehen.«
Sie hängte eine der Zeichnungen, die ich ihr gab, in ihrem Zimmerchen auf, und bald wurde ihr Freund darauf aufmerksam. Sie gefiel ihm so gut, daß er ein Porträt von ihr in Auftrag geben wollte. Er wollte mir sechzig Dollar zahlen. (Es kam jetzt eine Menge Geld herein.)
Dann kam sie auf den Gedanken, meine Agentin zu spielen. Sie konnte sich ein bißchen Geld nebenbei verdienen, indem sie herumging und erzählte: »Es gibt da einen neuen Künstler in Pasadena...«, und meine Zeichnungen verkaufte. Es machte Spaß , eine andere Welt kennenzulernen. Sie arrangierte, daß ein paar von meinen Zeichnungen bei Bullock's, dem eleganten Kaufhaus in Pasadena, gezeigt wurden. Sie und die Dame von der Kunstabteilung suchten einige Zeichnungen aus - Zeichnungen von Pflanzen, die ich am Anfang gemacht hatte (und die mir nicht gefielen) - und ließen sie rahmen. Dann erhielt ich einen unterzeichneten Beleg von Bullock's dafür, daß sie die und die Zeichnung in Kommission hatten. Natürlich hat niemand auch nur eine gekauft, aber ansonsten kam ich groß heraus: Meine Zeichnungen standen bei Bullock's zum Verkauf! Es machte Spaß, sie dort zu haben, einfach weil ich dann eines Tages sagen konnte, ich hätte den Gipfel des Erfolges in der Kunstwelt erreicht.
Die meisten meiner Modelle bekam ich durch Jerry, aber ich versuchte auch selbst, an welche heranzukommen. Wann immer ich eine junge Frau kennenlernte, die aussah, als wäre es interessant, sie zu zeichnen, bat ich sie, für mich Modell zu stehen. Es endete immer damit, daß ich ihr Gesicht zeichnete, denn ich wußte nicht so recht, wie ich das Thema anschneiden sollte, ob sie auch für einen Akt posieren würde.
Als ich einmal bei Jerry zu Besuch war, sagte ich zu seiner Frau Dabney: »Ich kriege die Mädchen einfach nicht dazu, nackt Modell zu stehen: Ich möchte bloß wissen, wie Jerry das anstellt!«
»Ja, hast du sie denn gefragt? «
»Oh! Daran habe ich überhaupt nicht gedacht!«
Das nächste Mädchen, das ich kennenlernte und das ich bat, für mich zu posieren, war eine Studentin vom Caltech. Ich fragte sie, ob sie nackt Modell stehen würde. »Aber sicher«, sagte sie, und das war's. Es war ganz einfach. Ich schätze, ich hatte so viele Hintergedanken, daß ich glaubte, es sei irgendwie verkehrt zu fragen.
Ich habe mittlerweile viel gezeichnet, und es hat sich so entwickelt, daß ich am liebsten Akte zeichne. Soweit ich sehe, ist es nicht eigentlich Kunst; es ist eine Mischung. Wer kann schon sagen, wieviel davon Kunst ist?
Ein Modell, das ich durch Jerry kennenlernte, war Playmate im Playboy gewesen. Sie war groß und sah phantastisch aus. Jedes Mädchen hätte sie um ihr Aussehen beneidet. Trotzdem glaubte sie, sie sei zu groß. Wenn sie ins Zimmer kam, zog sie immer ihren Kopf ein. Ich versuchte ihr beizubringen, gerade zu stehen , wenn sie posierte, denn sie war anmutig und sah so auffallend gut aus. Schließlich gelang es mir, sie dazu zu bringen.
Dann gab es etwas anderes, worüber sie sich Sorgen machte: Sie hatte »Grübchen« in der Leistengegend. Ich mußte ein Anatomiebuch hervorholen, um ihr zu zeigen, daß das mit der Aufhängung der Muskeln am Darmbein zu tun hat, und ihr erklären, daß diese Grübchen nicht bei jedem sichtbar sind; damit man sie sieht, muß einfach alles stimmen, vollkommen proportioniert sein, wie bei ihr. Ich lernte von ihr, daß sich jede Frau Gedanken über ihr Aussehen macht, ganz gleich, wie gut sie aussieht.
Von diesem Modell wollte ich ein Bild in Farbe malen, mit Pastellfarben, nur so als Experiment. Ich hatte vor, zunächst eine Kohleskizze zu machen, die dann später mit den Pastellfarben übermalt werden sollte. Als ich die Kohlezeichnung fertig hatte, bei der ich gar nicht darauf achtete, wie sie aussehen würde, stellte ich fest, daß es eine der besten Zeichnungen war, die ich bis dahin gemacht hatte. Ich beschloß, sie so zu lassen und diesmal keinen Versuch mit den Pastellfarben zu machen.
Meine »Agentin« sah sich die Zeichnung an und wollte sie mitnehmen.
»Sie können sie aber nicht verkaufen«, sagte ich, »sie ist auf Skizzenpapier.«
»Och, das macht nichts«, meinte sie.
Ein paar Wochen später kam sie an und hatte das Bild in einem schönen Holzrahmen mit rotem Streifen und goldenem Rand. Es ist komisch, und eigentlich müßten die Künstler darüber unglücklich sein - um wieviel besser eine Zeichnung zur Geltung
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