Sie belieben wohl zu scherzen, Mr. Feynman
es für den nächsten Kunden bereit war.
Jemand, der mit Wettervorhersagen zu tun hatte, sah die Zeichnung, die ich für Gianonni gemacht hatte, und fragte an, ob ich noch andere hätte. Ich lud ihn und seine Frau in mein »Studio« unten in meinem Haus ein, und sie erkundigten sich nach der neu gerahmten Zeichnung. »Die kostet zweihundert Dollar.« (Ich hatte sechzig mit drei malgenommen und zwanzig Dollar für den Rahmen drauf geschlagen.) Am nächsten Tag kamen sie wieder und kauften sie. So landete die Zeichnung für den Massagesalon schließlich im Büro eines Wetterpropheten.
Eines Tages führte die Polizei bei Gianonni eine Razzia durch, und einige der Tänzerinnen wurden verhaftet. Irgend jemand wollte, daß Gianonni aufhörte, Oben-ohne- Tänze zu zeigen, und Gianonni wollte nicht aufhören. So kam es zu einer großen Gerichtsverhandlung; die ganze Sache ging durch die Lokalzeitungen.
Gianonni ging zu allen Stammgästen und fragte sie, ob sie zu seinen Gunsten aussagen würden. Jeder hatte eine andere Entschuldigung: »Ich leite eine Kindertagesstätte, und wenn die Eltern dahinterkommen, daß ich in so ein Lokal gehe, schicken sie ihre Kinder nicht mehr in meine Tagesstätte...« Oder: »Ich arbeite in dem und dem Geschäft, und wenn das publik wird, daß ich hierherkomme, verlieren wir Kunden.«
Ich überlegte: »Ich bin der einzige freie Mann hier drin Ich habe keine Entschuldigung! Mir gefällt das Lokal, und ich möchte, daß es weiter besteht. Ich kann am Oben-ohne Tanzen nichts Ungehöriges finden.« Deshalb sagte ich zu Gianonni: »Ja, ich sage gern aus.«
Vor Gericht war die große Frage: Ist das Oben-ohne- Tanzen für die Allgemeinheit annehmbar - lassen die Wert Vorstellungen der Allgemeinheit es zu? Der Anwalt des Angeklagten versuchte, mich als Fachmann in Sachen Wertvorstellungen der Allgemeinheit aufzubauen. Er fragte mich, ob ich auch in andere Bars ging.
»Ja.«
»Und wie oft gehen Sie normalerweise pro Woche zu Gianonni?«
»Fünf-, sechsmal in der Woche.« (Das kam in die Zeitung: Physikprofessor vom Caltech sechsmal in der Woche m Oben-ohne-Lokal.)
»Welche Schichten der Gesellschaft waren bei Gianonni vertreten?«
»Nahezu jede Schicht: Leute aus dem Immobilien geschäft, jemand aus der Stadtverwaltung, Arbeiter von der Tankstelle, Techniker, ein Physikprofessor...«
»Würden Sie demnach sagen, daß Oben-ohne-Darbietun- sen für die Allgemeinheit annehmbar sind, da ja so viele Leute aus verschiedenen Bevölkerungsschichten sie sich ansehen und Gefallen daran finden?«
»Ich müßte wissen, was sie unter >für die Allgemeinheit annehmbar< verstehen. Es gibt nichts, das von jedem akzeptiert wird. Die Frage ist also: Wieviel Prozent der Bevölkerung müssen etwas akzeptieren, damit es >für die Allgemeinheit annehmbar< ist?«
Der Anwalt schlägt eine Zahl vor. Der Anklagevertreter widerspricht. Der Richter verkündet eine Verhandlungspause, und sie ziehen sich für eine Viertelstunde zur Beratung zurück, ehe sie beschließen können, »für die Allgemeinheit annehmbar« bedeute »akzeptiert von 50 Prozent der Bevölkerung«.
Obwohl ich sie dazu gebracht hatte, genau zu sein, konnte ich keine genauen Zahlen als Beweis vorlegen. Deshalb sagte ich: »Ich glaube, daß das Oben-ohne-Tanzen von mehr als 50 Prozent der Bevölkerung akzeptiert wird und deshalb für die Allgemeinheit annehmbar ist.«
Gianonni verlor den Prozeß zunächst, und sein oder ein anderer, ganz ähnlicher Fall ging schließlich zum Obersten Gerichtshof. In der Zwischenzeit blieb sein Lokal geöffnet, und ich bekam weiter meine 7-Ups umsonst.
Ungefähr zu dieser Zeit gab es einige Versuche, am Caltech ein Interesse an Kunst zu wecken. Jemand spendete Geld, um in einem alten Gewächshaus Studios einzurichten. Ausstattung und Materialien wurden gekauft und den Studenten zur Verfügung gestellt, und man stellte einen Künstler aus Südafrika an, um die künstlerischen Aktivitäten am Caltech zu koordinieren und zu unterstützen.
Verschiedene Leute kamen, um Lehrveranstaltungen abzuhalten. Ich gewann Jerry Zorthian dafür, einen Zeichenkurs zu geben, und jemand anders kam, um Lithographie zu lehren, was ich zu lernen versuchte.
Eines Tages kam der Künstler aus Südafrika zu mir nach Hause, um sich meine Zeichnungen anzuschauen. Er meinte, es würde Spaß machen, einen einzelnen Künstler auszustellen. Diesmal mogelte ich wirklich: Wenn ich nicht Professor am Caltech gewesen wäre, wären sie nie auf die
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