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Sie fielen vom Himmel

Sie fielen vom Himmel

Titel: Sie fielen vom Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Monte Cassino im Bewußtsein, mitzuhelfen an der geopolitischen Lösung der deutschen Frage in Europa und der Welt! Heil dem Führer! – Ich habe manchmal das Gefühl, lieber Doktor, daß wir von den Irren als irr angesehen werden, weil wir normal sind.«
    Dr. Pahlberg bückte sich und deckte ein Tuch über das fahle Gesicht des Jungen. Im Nebenzimmer hatte Krankowski zu tun … einige leichte Verletzungen kamen heruntergestolpert, Schürfungen, ein Streifschuß, eine Oberschenkelfleischwunde. »Was sagt Oberst Stucken dazu?« fragte er.
    »Stucken? Er ist der große Schweiger. Auch er hat den Kanal voll, wie der Landser so treffend sagt. Aber er ist hart. Er hat statt Nerven und Gehirnzellen Knochen und Stahl unter der Schädeldecke. Er läßt sich von Gefühlen nicht beeinflussen: Ich bin der Führer einer Division, sagte er einmal zu mir. Einer Fallschirmjäger-Division. Einer Elitetruppe! Wenn ich zusammenklappe, mein Gott, Sporken, was sollen meine Jungs sagen, von denen ich Härte bis zur Selbstopferung verlange?! Das hat er gesagt. Warum er diese Härte überhaupt verlangt, das habe ich erst gar nicht gefragt. Er würde es gar nicht verstanden haben. Ebensowenig wie dieser von der Breyle, der als Ahnen einen General unter Friedrich dem Großen entdeckte und nun den Ehrgeiz hat, dem Ahnen nachzueifern in unbedingter Vasallentreue. In den letzten Wochen scheint er irgendwie einen inneren Knacks bekommen zu haben. Er ist stiller geworden und weicht Gesprächen aus, die er früher an sich riß. Sein Sohn wurde nach der Salerno-Landung vermißt … das hat ihn nun doch ergriffen und seine geopolitische Philosophie durcheinandergebracht. Doch was reden wir, lieber Doktor. Draußen werden die Bataillone Freybergs gleich wieder gegen den Berg anrennen und im MG-Feuer liegenbleiben. Die Kerle tun mir noch mehr leid als ich mir selbst. Fragen Sie einen Gurkha einmal, warum er sich am Monte Cassino zusammenschießen läßt?! Oder einen der Maori, einen der Algerier, Tunesier oder Marokkaner. Sie verteidigen nicht einmal eine Heimat, wie wir so schön von uns sagen. Sie sterben für ein absolutes Nichts! Für ein Vakuum ihres Geistes. Das ist furchtbar, Doktor Pahlberg, das ist schlimmer als Mord. Ein Mord hat immer ein Motiv … aber das hier ist ein luftleerer Raum mit ausgeblasenen Hirnschalen.«
    Dr. Pahlberg saß noch lange auf seinen gestapelten Kisten, als Major v. Sporken schon längst gegangen war. Dieses leidenschaftliche und doch so unnötige Gespräch in einer Situation, wo nur gehandelt und nicht mehr geredet wurde, erfaßte ihn mehr, als er wollte. Hinzu kam ein Brief Renates, den die Feldpost mitbrachte, bevor er mit seiner Trägerkolonne den Monte Cassino heraufkroch und sich in dem Keller unter dem Kolleg verbarg. Ein Brief, der von ihrer Sehnsucht erfüllt war, aber dessen letzter Abschnitt ihm ein Rätsel aufgab.
    »Es wird nicht lange dauern«, schrieb sie, »und ich werde bei Dir sein. Ganz nahe bei Dir, für immer und ewig. Wir werden gemeinsam die Sonne sehen und die Sterne, der Wind wird durch unsere Haare wehen und die Kühle der Nacht über unsere Körper streichen. Nichts, nichts mehr wird uns dann trennen als der Tod. Gegen ihn werden wir gemeinsam kämpfen mit Gottes Hilfe, denn Gott ist bei den Liebenden und bei denen, die ihn rufen. Und ich rufe ihn, jeden Tag, jede Nacht, ich bitte ihn, Dich mir zu erhalten, weil ich die Welt nicht mehr lieben könnte ohne Dich. Bald werde ich bei Dir sein, glaube es mir …«
    Er hatte diese letzten Sätze öfter gelesen. Sie waren ein wenig überschwenglich, romantisch, fast von einer lyzeumshaften Schwärmerei, und doch lag ein tiefer, versteckter Ernst in diesen Zeilen, der ihn ansprang mit einer ungewissen Angst, Renate könnte in ihrer großen Liebe eine Dummheit begehen, die nie wiedergutzumachen war.
    Bald werde ich bei dir sein … was hieß das? Bei dir sein?! Im Kloster Monte Cassino? Im Keller unter dem zerbombten Kolleg? In den Krypten und unterirdischen Gängen, den Katakomben der Abtei des hl. Benedikt?
    Er erinnerte sich des Abschieds auf dem Bahnhof in Rom. An ihre Augen, an den in der Sonne glänzenden ›Goldhelm‹, an ihre Stimme, als sie rief: »Erich!« Er hatte damals das Gefühl, als breche sein Herz auseinander, als verblute er innerlich. Aber er hatte sich emporgerichtet an dem Gedanken, daß an diesem Tage Hunderte, Tausende an die Front fuhren, ihre Mütter, Frauen und Bräute mit dem gleichen blutenden Herzen zurücklassend.

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