Sie fielen vom Himmel
hinaufkeuchten, abzuladen, Hauptmann Gottschalk und Leutnant Weimann befanden sich bei einer Besprechung beim Kampfkommandanten Major v. Sporken … es war also niemand da, der das Idyll stören konnte. Ein Kaffeestündchen, das die kalte Nacht erwärmte.
»Was uns fehlt«, stellte Theo Klein genießerisch fest, »sind 'n paar Mädchen, die uns kitzeln.« Er stieß Küppers an, der langsam das sprudelnde Wasser in die Kochgeschirre verteilte. Es duftete herrlich nach Kaffee. Es war fast friedensmäßig. »Wie ist das nun mit dir? Biste nun geschieden?«
»Ja.«
»Hm. Weil du deine Alte verdroschen hast? Und weil du fremdgegangen bist? Und weil du ein Aas warst, immer besoffen im Urlaub, randaliert, geil wie ein Bock, das ganze Geld an der Theke gelassen …«
Küppers schob Klein das gefüllte Kochgeschirr mit dem duftenden Kaffee zu. »Hast du die Scheidungsbegründung auswendig gelernt?«
»Ich kann mir denken, was da alles zusammenkommt bei solch einer Scheidung.« Theo Klein schlürfte und zuckte zurück. Fast warf er das Kochgeschirr weg.
»Verdammt! Jetzt habe ich mir die Fresse verbrannt!« Er stellte das Kochgeschirr neben sich, damit es abkühlte. »Nun sag mir nur eins, Heinrich. Du bist doch ein Bombenkerl. Du bist doch ein Pfundskamerad! Du bist mein Freund! Warum hast du das mit der Alten so gemacht?!«
»Das mußt du mich fragen? Gerade du?!« Küppers starrte in die Nacht und in die Trümmer vor sich. »Ich weiß ja selbst nicht, warum ich so war. Das Erlebnis von Kreta? Die Schlacht bei Korinth? Das haut einen seelisch um, Theo. Das verändert den Menschen. Und dann kommst du nach Hause, und alle sagen: Ah! Der Heinrich! Der Fallschirmjäger! Der grüne Teufel! Mensch, eure Truppe ist 'ne Wucht. Immer 'ran an den Feind, kein Pardon, mit Kappmesser und Spaten auf den Dez, daß die Gehirne fliegen! Und du bist Unteroffizier in einer solchen Truppe. Kerl, dann mußte ja ein ganz besonderer Draufgänger sein! Ja, so sehen dich die in der Heimat, so denken sie von den Fallschirmjägern! Rabauken sollen wir sein! Messerhelden! Und sie schleppen dich an die Theken, sie saufen mit dir und verlangen, daß du so bist, wie sie dich sehen wollen! Mit Kappmesser und Spaten 'rauf auf den Dez! Und wenn du besoffen bist, Theo, ist dir alles scheißegal … dann bist du so, wie die anderen das wollen, und du schreist und schlägst um dich und du hurst, daß die Fetzen fliegen … und wenn's bei der eigenen Frau ist. Das fällt dir im besoffenen Kopf gar nicht auf. Und eines Tages stehst du draußen, keiner will mehr was von dir wissen, dem Schwein, dem Untermenschen, dem Schlächter. Du wirst geschieden, du bekommst einen Tritt in den Arsch von denen, die dich erst zu dem gemacht haben … Tja, und dann bist du froh, daß Krieg ist, daß du von all dem nichts mehr hörst und siehst, sondern nur deine Kameraden hast, die mit dir im Dreck liegen, mit dir leiden, mit dir sterben, die dich verstehen und schweigen.«
Theo Klein starrte Küppers an. In seinem groben Gesicht zuckte es.
»Heinrich«, sagte er leise. Seine Stimme schwankte. »Ich könnte heulen, wenn ich dich so reden höre. Verdammt, ich könnte heulen. Haste das denn nicht alles deiner Frau gesagt? Mensch, das muß eine Frau doch verstehen … das muß sie doch verzeihen können. Wir sind doch alles Kinder ohne Mütter, Heinrich. Große Kinder, die keine Liebe haben, die keine Liebe kennen, nur den verfluchten Puff mit seinen geschminkten und miesen Weibern. Und nachher mußte zum Sani gehen und dir 'ne Sanierspritze geben lassen, weilste nie weißt, ob du bei so einer gewesen bist! Dat is doch unsere ganze Liebe, die wir kennen. Warum haste deiner Frau denn nichts gesagt!«
»Sagen?« Küppers wischte mit der Hand durch die kalte Luft. »Theo … zum Sagen hat man keine Zeit mehr, wenn alles zum Teufel ist. Die Liebe, das Vertrauen, die Sehnsucht, die Achtung voreinander. Was soll man da noch groß sagen? Es ist Krieg, Theo, und der Mensch wird im Krieg zur Sau gemacht. Vor allem Menschen wie wir … wir Menschen im Schatten. Wir Parias, deren Hintern dazu da ist, daß man in ihn hineintritt! Warum sich auflehnen? Warum durch Reden wiedergutmachen, was du durch Taten unrettbar zerstört hast?«
»Aber dein Kind, Heinrich.«
»Der Junge ist bei meiner Frau. Leni wird gut für ihn sorgen. Er wird einmal anders werden als ich … dafür kenne ich Leni zu gut. Und ich wünschte es auch, daß er mehr von ihr als von mir bekommen hat.«
Theo Klein
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