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Sie fielen vom Himmel

Sie fielen vom Himmel

Titel: Sie fielen vom Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Operationsbericht hatte er geschrieben und seine Kollegen in Rom gebeten, nach einigen Transfusionen und einer vielleicht auftretenden Perionitis, die eine neue Öffnung des gequälten Leibes mit sich brachte, mit einer Plastik erst dann zu beginnen, wenn der Unterleib so fest verwachsen war, daß man ihn stückweise wieder aufschneiden und formen konnte.
    Dr. Heitmann hatte der zugedeckten Bahre nachgesehen, als man sie vorsichtig in den Sankra schob und die Tür schloß. »Eine Meisterleistung, Pahlberg«, sagte er sarkastisch. »Wert, in jeder medizinischen Wochenschrift und im Zentralblatt für Chirurgie zu stehen. Sie haben den Tod theoretisch besiegt, wenn unsere Kollegen in Rom keine Idioten sind und alles wieder verpfuschen. Aber glauben Sie, daß Ihnen das jemals einer dankt? Glauben Sie wirklich, daß dieser Mann zeit seines Lebens glücklich sein wird? Oder seine Lotti, so hieß doch die schöne, blonde, junge Frau? Glauben Sie das wirklich? Da kommt der Mann nach Hause, und was fehlt ihm? Die Genitalien! Einfach weggeschossen! Futsch! Für alle Zeit! Ja, Mensch, Pahlberg – stellen Sie sich da die junge, lebenslustige Frau vor, die noch was vom Leben erhofft, die was haben will! Und das Wichtigste an ihrem Mann ist weggeschossen! Dafür gibt es keine Plastik, keine Prothese! Glauben Sie wirklich, daß die beiden glücklich bleiben, nur weil es heißt: Du lebst! – Nee, Pahlberg, das kann mir keiner erzählen! Auf das, was er nicht mehr hat, kommt es im Leben gerade an! Dafür hat man Kriege geführt, Völker ausradiert, Könige gestürzt, Morde begangen und Kulturen erfunden! Das ist der Mittelpunkt der Menschheit.«
    Dr. Pahlberg hatte Dr. Heitmann stehenlassen und war zurück in seinen Operationsraum gegangen. Er hörte, wie der Sankra vorsichtig abfuhr … brummend wand er sich die Straße hinab in die Ebene. Die weiße Fahne mit dem roten Kreuz und die bemalten Seiten des Wagens leuchteten in der kalten Februarsonne. Er ist ein Schwein, sagte er sich. Aber er beruhigte damit nicht sein Gewissen, das die Wahrheit der Worte Heitmanns empfand und die bestätigt wurden, wenn er an Renate Wagner dachte, die in Rom auf ihn wartete und nach der er Sehnsucht hatte. Sehnsucht, die manchmal auf sein Herz drückte und ein Zittern durch seinen Körper jagte. Dr. Heitmann würde sagen: Sehnsucht wie ein Mönch nach der Fastenzeit auf einen Schinken.
    Dr. Pahlberg sah hinaus. Heitmann rauchte eine Zigarette. Groß, stark, ein Bulle von Mann stand er im Abenddämmern. Ein Riese, der sich aufrecht hält durch Pervitin. In diesem Augenblick bedauerte ihn Pahlberg ehrlich und verzieh ihm alles …
    Daran dachte er, als der Bauchschuß vor ihm lag und mit offenem Mund röchelte. Krankowski kniete neben ihm, eine Spritze in der Hand. »Morphium?« fragte er.
    Pahlberg schüttelte den Kopf. Die ganze Grausamkeit des Krieges, die Sinnlosigkeit aller Worte von Heldentod und Menschlichkeit lagen in seiner Antwort.
    »Nein! Wozu denn, Krankowski? Er liegt im Koma und hat keine Schmerzen. Er wird nicht wieder aufwachen. Sparen Sie das Morphium für andere Fälle.«
    Zwei Stunden später starb der Junge, still, ohne Dramatik … sein Röcheln hörte einfach auf, er seufzte tief, und die Spannung der Muskeln ließ nach. Der Körper wurde schlaff, ein wenig größer und flacher. Das war alles … die Majestät des Todes, die den Menschen erlöst.
    Der Kopfschuß, ein Pionier aus Sachsen, war aufsässig und hatte eine erregte Diskussion mit Krankowski, der den Kopf mit einem dicken Verband belegte. »Jetzt siehste aus wie'n Pascha!« sagte er. »Fehl'n nur noch die Bauchtänzerinnen, was? Das könnte dir so passen … so'n kleiner Harem, lauter nackte Weiber …«
    Die Antwort des Sachsen war ein Zitat aus Goethes ›Götz von Berlichingen‹. Beleidigt kam Krankowski zu Dr. Pahlberg zurück. »Ein ungehobelter Mensch«, sagte er in beschwerendem Ton. »Dem haben se den letzten Humor aus der Rübe gedonnert.«
    Gegen Mittag kam Major v. Sporken in den Lazarettkeller. Er gab Dr. Pahlberg herzlich die Hand und drückte sie fest. »Ich wollte mir unseren Medizinmann einmal ansehen. Habe Wunderdinge von Ihnen gehört. Die ganze Division erzählt Legenden über Sie. Zerrissene Milz, weggeschossener Unterleib, ein Kaiserschnitt bei einer Partisanin … das war ein Glanzstück, Herr Stabsarzt. Das ist bis zu Kesselring gegangen! Operiert ein deutscher Militärarzt eine Partisanin, und der Ehemann der süßen Mutter legt unsere

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