Sie fielen vom Himmel
senkte.
Am Ziel.
Über dem Monte Cassino …
Die erste Hupe, ein grelles Boschhorn im Flugzeugleib, gellte auf. Renate Wagner warf den Türhebel herum, stieß sie nach innen, wo sie einrastete. Der Zugwind warf sie fast in die Maschine zurück, aber sie umklammerte die beiden Griffe und duckte den Körper zum Abschnellen. Das zweite Hupen. Sie beugte sich nach vorn, der Sog riß ihr fast den Helm vom Kopf, sie mußte sich mit aller Kraft an den Griffen anklammern, um nicht aus der Tür gerissen zu werden.
Unter ihr war Nacht, über ihr zogen träge die Wolken. Ganz schwach sah sie eine Ruine in der Tiefe. Das Kloster! Jetzt bemerkte sie auch ganz weit entfernt aufblitzenden Feuerschein. Artillerie, dachte sie.
Eine merkwürdige Ruhe war in ihr, als habe sie mit allem abgeschlossen und gehe jetzt in ein Nichts, von dem sie wußte, daß es keine Rückkehr mehr gab. In der Dunkelheit sah sie plötzlich helle Flecken herumschweben. Die anderen Fallschirmjäger der Maschinen eins und zwei. Sie fielen schon vom Himmel, sie wurden schon beschossen. Renate sah das rhythmische Aufblitzen auf der Erde. Maschinengewehre. Überall Maschinengewehre … Eine wilde Angst stieg plötzlich in ihr hoch. Nein, wollte sie schreien. Nein – ich kann es nicht! Es ist zuviel für mich! Ich habe mich überschätzt! Ich kann es nicht, verzeih mir, Erich … ich springe nicht. Es war Wahnsinn, jetzt sehe ich es ein. Es wär Selbstmord, und dabei wollte ich doch leben, bei dir leben …
Der dritte Hupenton, grell, fordernd.
Renate zögerte den Bruchteil einer Sekunde. Köster stand hinter ihr, bereits im Geiste schwebend.
Da stieß sie sich mit dem linken Fuß ab, warf die Hände nach vorn und sauste waagrecht vom Flugzeugrumpf weg ins Bodenlose. Ein kleiner Ruck durchstach ihren Körper, es war, als habe sie eine große Faust am Kragen gepackt und reiße sie in eine sitzende Stellung. Noch ein Ruck, stärker, den ganzen Körper erfassend, die Schenkel pressend, daß sie leise aufschrie vor Schmerz. Dann schwebte sie … über sich den riesigen geöffneten Fallschirm, unter sich das Pfeifen der Maschinengewehrgarben aus den amerikanischen Panzern. Sie griff sich an die Brust, sie hatte das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen, mit weit aufgerissenem Mund pendelte sie durch die Nacht … aber es war nur der Augenblick zwischen Sturz und Aufgefangenwerden durch den Fallschirm. Als sie wieder atmen konnte, sah sie hinunter auf die Felsen, denen sie entgegenkam.
Über ihr und neben ihr pendelten die anderen. Köster schwebte zehn Meter höher … er erhielt einen Schuß in den Fuß, als er sich in Erdnähe in den Wind drehte und mit geschlossenen Beinen und Rolle vorwärts aufsetzte. Er kroch, vor Schmerz leise wimmernd, in einen Trichter und schnallte dort seine Gurte ab. Den Fallschirm ließ er einfach vom Wind wegtreiben. Renate landete unverletzt. Sie fiel auf den Boden, versuchte die berühmte Rolle, aber sie wurde von dem Schirm mitgerissen und zehn Meter weiter mitgeschleift, ehe sie sich ausklinken konnte. Der Schirm trieb weiter. Das rettete ihr das Leben, denn dort, wo sie heruntergekommen war, fünf Meter von Köster entfernt, schlug eine leichte Panzergranate ein und zerfetzte das Felsgestein.
Sie lag dann in einem Trichter und hatte die Hände vor die Augen gelegt. Ich lebe, stammelte sie, ich lebe wirklich. Ich bin in der Hölle gelandet. Ich bin bei Erich. O mein Gott, mein lieber, lieber Gott …
Sie schob sich über den Rand des Trichters und sah, wie die ersten Fallschirmjäger verwundet weggetragen wurden. Die weiße aufschnellende Leuchtkugel zeigte ihr, wo Leutnant Mönnig lag und seine Männer zusammenrief. Von irgendeinem Berg aus der Dunkelheit kam rasendes Maschinengewehrknattern … dort war gerade Theo Klein dabei, das Gebirgsgeschütz zu bergen, und Heinrich Küppers gab ihm Feuerunterstützung. Leutnant Mönnig sammelte seine Männer in fünf großen Trichtern. Oberfeldwebel Michels hatte einen Streifschuß über die Stirn bekommen, er blutete stark und wurde von Fritz Grüben verbunden. Helmuth Köster kam humpelnd in den Leutnantstrichter und meldete sich. An den jungen Leutnant dachte er in diesem Augenblick nicht, der Schmerz seines zerschossenen Fußes nahm ihm fast die Besinnung. Dr. Barthels, der PK-Mann, hatte eine Sehnenzerrung – er war auf einem Felsblock gelandet und konnte sich deshalb nicht abrollen. Wie ein Stein war er zur Erde geplumpst und hatte sich die Fußsehne gezerrt.
»Alles da?«
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