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Sie fielen vom Himmel

Sie fielen vom Himmel

Titel: Sie fielen vom Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Meer zurücktreiben, wie damals bei Dünkirchen, Obergefreiter!« sagte er kernig.
    »Jawoll, Herr Major.«
    Von der Breyle gab es von da an auf, sich weiterhin mit dem Obergefreiten zu unterhalten.
    Leutnant Jürgen von der Breyle stand allein außerhalb von Altavilla an der Straße neben einem zerschossenen Gehöft und blickte den Weg hinunter, den sein Vater kommen mußte. Der kleine Ort lag unter dem pausenlosen Feuer der Amerikaner … die Regimenter der 36. und 45. Division unter General Walker und General Middleton hatten sich an den Küstenstreifen festgekrallt und versuchten, nach Süden zu mit der anrückenden 8. Armee Montgomerys Verbindung zu bekommen. Sie stießen dort auf die 29. PGD, die wie ein Keil dazwischen saß, während von Eboli und Persano her die 26. PD und die 34. Fallschirmjäger-Division Hans Stuckens nach Altavilla drückten. Die Einnahme Battipaglias durch die 100 Männer Hauptmann Gottschalks hatte im Hauptquartier der 5. amerikanischen Armee wie ein Schock gewirkt. General Clark hatte seine Offiziere zusammengerufen und Luftmarschall Tedder beschworen, endlich die operative Luftwaffe und Luftlandetruppen einzusetzen, um die Lage an der Salernofront zu stabilisieren.
    Nun hämmerten die Batterien Walkers auf Altavilla und schossen eine Feuerglocke für die festgefahrenen amerikanischen Regimenter an der Küste von Paestum. Als der kleine Kübelwagen die Straße hinunterkeuchte, winkte Jürgen mit beiden Armen und rannte seinem Vater entgegen. Unmilitärisch fiel er dem heraussteigenden Major um den Hals und küßte ihn auf die Wange. Der Fahrer sah zur Seite und machte sich an der Kühlerhaube zu schaffen. Auch Majore sind nur Menschen, dachte er. Wenn ich 'nen Sohn hätte, würde ich auch heulen vor Freude.
    Major von der Breyle zog seinen Sohn vom Wagen weg. Untergefaßt gingen sie zu dem ausgebrannten Gehöft und setzten sich auf eine Steinbank in die Mittagssonne.
    »Gut siehst du aus, mein Junge«, sagte Breyle und tätschelte mit der Hand das Gesicht seines Sohnes. Es war eine etwas plumpe Liebkosung, geboren aus dem Drang, zärtlich zu sein, aber zurückgehalten durch die Verpflichtung, in Uniform immer und stets Haltung zu bewahren. »Die Uniform steht dir blendend«, fügte er hinzu, um mit deren Erwähnung sein inneres Gleichgewicht wiederherzustellen. »Wie geht es Mutter?«
    »Ich habe sie vor sechs Wochen noch gesehen. Sie hat weiße Haare bekommen, Vater.«
    »Mutter?!« Von der Breyle biß die Lippen aufeinander. Er sah seine Frau vor sich, als er sich vor dreiviertel Jahren das letztemal verabschiedete. Sie hatte ihn zum Bahnhof gebracht und ihm einen Blumenstrauß überreicht. »Wie damals, Greta«, hatte er gelacht. »Weißt du noch … 1914, in Halle? Wir hatten uns gerade kennengelernt … der Einjährig-Freiwillige und das Lyzeumsmädchen! Heimlich hattest du von deinem Taschengeld die Blumen gekauft. Und du weintest, als der Zug abfuhr und wir alle sangen: Siegreich woll'n wir Frankreich schlagen … Heute bist du tapferer, Greta … du weinst nicht mehr …« Sie hatte darauf nichts gesagt, sondern ihm stumm die Blumen ins Abteil gereicht. Und nun hatte sie weiße Haare bekommen, sagte Jürgen. Weiße Haare, seine Greta, die so stolz war auf das schwarze Haar, in dem nicht das kleinste graue Fädchen schimmerte.
    Sie war eigentlich alles andere als eine Offiziersfrau. Sie kam aus einem bieder-bürgerlichen Haus. Der Vater hatte eine Lebensmittelgroßhandlung in Halle und verkörperte noch den Typus des königlichen Kaufmannes im Sinne Gustav Freytags. Die Mutter war die Tochter eines Bremer Senators … er hatte seine Schwiegermutter eigentlich nur als herbe, blonde Schönheit im Gedächtnis, mit Fischbeinstäbchen im Stehkragen des hochgeschlossenen Kleides und einem dicken Schlüsselbund unter der Schürze. Wie ein Bild von Holbein, dachte er damals. Und als er Thomas Manns ›Buddenbrooks‹ las, fand er in dem Buch genau den Typ seiner Schwiegermutter … den hoheitsvollen Adel eines brüchigen Bürgertums. Selbst, als sie gestorben war und aufgebahrt im guten Zimmer lag – natürlich war das gute Zimmer mit grünem Plüsch bezogen und hatte Troddeln an den Sesseln –, hatte sie ein schwarzes Kleid mit Fischbeinstäbchen an, und ihr bleiches Gesicht war streng und verschlossen, als hätte sie vor wenigen Augenblicken noch zu dem Hausmädchen gesagt: »Frieda – Sie haben nun das drittemal das Salz auf dem Tisch vergessen!« In dieses Bürgertum kam er, der

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