Sie fielen vom Himmel
brauner Bonzen im heiligen Tempel der Wilhelmstraße!«
»Jürgen! Es ist genug!«
Major von der Breyle hatte seinen Stahlhelm wieder aufgenommen. Er setzte ihn auf, mit einem Ruck, einem Ernst, als kleide er sich zu einer Kriegsgerichtsverhandlung und müsse das Urteil sprechen: Wegen Zersetzung der Wehrkraft wird der Leutnant Jürgen von der Breyle zum Tode durch Erschießen verurteilt … Sein Gesicht war kantig und mit hektischen Flecken überzogen. »Ich habe mir unser Wiedersehen nach drei Jahren anders vorgestellt.«
»Ich auch, Vater. Aber wir haben uns in diese Auseinandersetzung hineingetrieben. Es begann mit den weißen Haaren Mutters und deiner unpassenden Bemerkung, daß der Krieg an keinem vorübergehe!«
»Du mußt mir zedieren, daß ich wenigstens in diesem Punkte recht habe.«
»Allerdings. Womit ich nicht zurücknehme, daß dies ein Verbrechen ist!«
»Du bist jung, Jürgen.« Von der Breyle versuchte einen vermittelnden, warmen Ton anzuschlagen. Es gelang nur zur Hälfte, die militärische Schärfe klang im Unterton durch. »Du hast für deine Jugend viel gesehen, aber du bist eben noch zu jung, um alles geistig und vor allem seelisch zu verarbeiten. Die Abgeklärtheit der Reife, die du einmal erreichen wirst, wird dich einsehen lassen, daß du heute deinem Vater bitter unrecht getan hast. Es ist mir schmerzlich, Jürgen, dir das zu sagen … nach drei Jahren. Es tut mir weh, glaube es mir.« Er schluckte. Echte Rührung überkam ihn, ein verschüttetes Gefühl brach hervor und überschwemmte sein Inneres. »Daß Mutter in der Heimat zu leiden hat und weiß geworden ist, erschüttert auch mich. Aber mich davon unterkriegen lassen … oder von dem Misthaufengeschwätz eines russischen Muschiks? Nein, mein Junge! Das bedeutet Aufgeben meiner Offiziersehre. Das wäre Verrat an der Uniform.« Er strich sich über den Waffenrock und fühlte unter seinen Fingern das Fallschirmjägerabzeichen, den niederstürzenden Adler. »Ich könnte ohne diese Ehre nicht mehr leben, Jürgen. Sie ist der Inhalt meines Lebens geworden, die große Erfüllung meines Daseins auf dieser Erde. Du wirst es noch begreifen, mein Junge« – er versuchte einen Scherz und verzog das Gesicht zu einem breiten, fast maskenhaften Lächeln –, »trotz deiner Truppe von Jungen, die sich beim ersten Trommelfeuer in die Hose scheißen …«
Sie gaben sich die Hand … ein wenig förmlich, uniformös, kasernenhofmäßig. Jürgen sah seinen Vater groß an … der randlose Springerhelm, das EK I auf der Brust, das Springerabzeichen, die silbergeflochtenen Majorschulterstücke und der Eichenlaubkranz mit einer Schwalbe auf dem Kragenspiegel. Sein Gesicht war etwas eingefallen in diesen drei Jahren, strenger noch als sonst, härter, kantiger. Mutter würde ihn so kaum erkennen … es war, als habe er einen Teil seines Wesens verloren, jenen guten Teil, der die Weichheit im Menschen ausmacht.
»Leb wohl, Vater«, sagte er, bedrückt von dieser Feststellung.
»Wir werden uns jetzt öfter sehen, mein Junge. Wir kämpfen Schulter an Schulter gegen die Amerikaner. Es kann sein, daß unsere Division in euren Abschnitt kommt, um Altavilla zurückzuerobern. Ich habe von Oberst Stucken so etwas läuten hören.«
»Das wäre schön, Vater.« Es klang steif und abweisend. Breyle merkte es nicht. Er umarmte seinen Sohn und küßte ihn flüchtig auf die Backe.
»Mutter wird sich freuen, daß wir uns getroffen haben«, sagte er noch. »Ich werde es ihr gleich schreiben.«
»Ich auch, Vater.«
Er begleitete ihn bis zu dem Kübelwagen. Der Obergefreite saß auf dem Kotflügel und rauchte eine Pfeife. Dicke Rauchwolken schwebten in der sonnenheißen Luft. Major von der Breyle hüstelte.
»Was rauchen Sie da für einen Knaster?!« fragte er, als der Fahrer vom Kotflügel sprang und sich vorschriftsmäßig neben dem Wagen aufbaute.
»Feinschnitt, Herr Major. In Neapel gekauft, in der deutschen Marketenderei.«
»Davon kriegt man ja die Schwindsucht, Mann! Stecken Sie den Rotzkocher weg!«
»Jawoll, Herr Major!«
Jürgen von der Breyle sah dem kleinen Wagen nach, wie er über die staubige Straße hüpfte und am Horizont in einer dichten Staubwolke unterging.
Die Weite des Landes lag um ihn, überstrahlt von der besungenen Sonne Italiens.
Von Altavilla her summte es heran … silberne Vögel stießen durch das Blau des Himmels und hinterließen auf der Erde einen Teppich der Vernichtung. Eine dichte Rauchwolke hing über der Stadt, bis zu sich
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