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Sie fielen vom Himmel

Sie fielen vom Himmel

Titel: Sie fielen vom Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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hieß es in der Meldung an das Regiment.«
    »Junge, Junge …« Breyle schüttelte den Kopf. »Wie kann man so kindisch sein, so voller primanerhafter Gefühlsduselei, dem Gestammel eines russischen Bauern nachzugeben? Was weiß dieser Muschik von der großen geistigen Auseinandersetzung der Weltanschauungen, der Ideen, der weltformenden Ideologien?! Wir haben nicht regional, sondern geopolitisch zu denken! Völker sind nur Auswirkungen geographisch bedingter Kräfte. Deutschland ist die Mitte Europas. Und so, wie alle Ausdehnung von der Mitte ihren Ausgang nimmt … der Kreis, der sich vergrößert, wenn du einen Stein ins Wasser wirfst, das Magma, das aus der Erde Mittelpunkt quillt und neue Landformen schafft … so haben wir Deutsche das geopolitische Recht, uns nach allen Grenzen hin auszudehnen, wenn es die Lage erfordert!«
    »Aber das ist doch alles dumme Phrasendrescherei!« Jürgen von der Breyle putzte seine Handfläche mit einem Taschentuch ab. In der Erregung hatte er die verbrannte Wand angefaßt und sich die Hände geschwärzt. »Das ist doch eine Verherrlichung des Gesetzes der Rechtlosigkeit aller Völker! Das ist Macchiavellismus in reinster Potenz! Du kannst doch nicht Völker auslöschen, nur, weil du Hunger auf Land hast.«
    »Hunger im Magen, Jürgen! Die Völkerwanderungen der Vorzeit waren nichts anderes. Und dabei war die Erde dünn besiedelt, der Mensch verlor sich in der Weite des Landes.«
    »Wir kommen geistig nicht auf einen Nenner, Vater. Wir haben verschiedene Auffassungen. Für dich ist der Krieg eine Notwendigkeit …«
    »Zumindest ist er – wenn man schon Kriege führt – eine Verpflichtung, ihn auch zu gewinnen!«
    »Für mich ist er ein glattes Verbrechen!«
    »Jürgen!«
    Major von der Breyle sprang auf. Sein Gesicht war hochrot. Er trat einen Schritt auf seinen Sohn zu und zerrte nervös an seinem Koppel.
    »Vater …«
    »Du trägst die Uniform des Führers! Du bist Offizier! Ich nehme an, daß deine Erregung dich vergessen ließ, was dies bedeutet und welche Verpflichtung du mit den silbernen Schulterstücken und dem Portepee übernommen hast!«
    »Ich erkenne zuerst die Verpflichtung an, ein denkender Mensch zu sein! Daß man diesen Menschen in 3,50 m Tuch steckte mit etlichen blanken Knöpfen und Litzen, ist eine Äußerlichkeit, über die ich hinwegsehen kann!« Jürgen nahm die zerknickte Mütze von der Steinbank und setzte sie auf die gekrausten braunen Haare. »Ich bin erst seit 36 Stunden in Italien, Vater. Ich habe jungen Ersatz hierhergebracht … Jungen von siebzehn, achtzehn Jahren. In acht Wochen hat man sie in der Heimat ausgebildet … Schießen, Deckung halten, Hinwerfen, Anschleichen, ein bißchen Grüßen und Marschieren. Auf dem Schießstand haben sie ihre Scheiben heruntergeknallt, haben sieben Handgranaten in einen Sandhaufen geworfen und wurden dann verladen, um hier bei Altavilla zu sterben! Jungen, Vater, die bei dem ersten Trommelfeuer in die Hose scheißen und beim zweiten weglaufen, die nach der Mutter schreien und im Schützenloch beten, statt zu schießen, wenn der Feind auf sie zu stürmt! Es ist alles so widerlich, Vater, so sinnlos, so grauenhaft verbrecherisch …« Er atmete auf, als habe ihn die Rede befreit, als bekomme er besser Luft.
    Major von der Breyle war blaß geworden … er fingerte an seiner Pistole herum und vermied es, seinen Sohn anzusehen.
    »In Rußland war das anders, Vater. Da stand ich mit alten Frontschweinen im Graben. Die schliefen, während der Russe trommelte und wachten erst auf, wenn die Konservenbüchsen an den Drähten Alarm gaben und der Iwan stürmte. Dann standen sie im Loch und an den Bunkern und hielten dazwischen. Und wenn es vorbei war, krochen sie wieder in den Bunker, zogen die dreckige Decke über das Gesicht und pennten weiter. Es gab da kein Ich mehr, Vater … nur noch die Front und den Willen, zu überleben. Einfach nur zu überleben … wie, das war gleichgültig! Aber hier ist es anders … hier habe ich Kinder in der Hand, die Helden sein sollen! Und sie sollen die ›Festung Europa‹ verteidigen, diesen imaginären, gummidehnbaren Begriff. Aber was hier vor uns steht, sind ja Europäer! Engländer, Franzosen, Belgier, Holländer! Und vor ihnen, den Europäern, wollen wir die ›Festung Europa‹ verteidigen?! Ich habe nie einen größeren Unsinn gehört und nie eine mörderischere Parole, mit der man unsere Jungen in den Tod treibt! Wir sollen ein Regime schützen, eine Ideologie, eine Kaste

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