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Sie fielen vom Himmel

Sie fielen vom Himmel

Titel: Sie fielen vom Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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junge Weltkriegsleutnant von der Breyle. Es hatte einen heißen Kampf gekostet. Nur sein Adel – das ›von der‹ Breyle – hatte schließlich den Ausschlag gegeben, Greta Bergsen seine Frau werden zu lassen. Aber innerlich war sie trotz aller Liebe zu ihm, trotz der Geburt des einzigen Kindes, seines Sohnes Jürgen, trotz aller Tiefen und Höhen, die sie gemeinsam durchschritten hatten, immer das Bürgermädchen geblieben. »Offizier ist ein Beruf wie jeder andere«, hatte sie einmal gesagt. »Ob Schreiner oder Rechtsanwalt, Bäcker oder Straßenkehrer oder Offizier … jeder Beruf ist ehrenwert.« Er hatte sich damals beleidigt abgewandt, denn er empfand das Offiziersein als eine Ehre, als eine Berufung, als eine Auszeichnung vor der Menschheit. Es hob ihn weit über andere hinaus, in die erste Gesellschaftsklasse des Staates. Als er die kritische Majorsecke umschifft hatte und von zehn zur Debatte stehenden Hauptleuten als einziger Major wurde, bekam sein Selbstbewußtsein die letzte Weihe. Er wußte jetzt, daß sein Leben sinnvoll war und Generationen mit Stolz auf ihn zurückblicken konnten.
    Jürgen riß ihn aus seinen weitschweifenden Gedanken zurück. Er hatte die an den Rändern eingeknickte Feldmütze auf die Bank gelegt. In seinem braunen Haar spielte der Herbstwind, der von Kalabrien über die Berge strich.
    »Wir haben unser Haus nur mit Mühe retten können, Vater. Vierzehn Stabbrandbomben lagen auf dem Boden. Ein Glück, daß es keine Brisanzbomben waren. Mutter hat sie allein mit Sand und der Feuerpatsche gelöscht. Dabei wurde sie weiß …«
    Major von der Breyle sah auf seine Hände. Über dem Ehering stak ein breiter Goldring mit einer Onyxplatte an seinem Finger. Ein Weihnachtsgeschenk von Greta. 1938 – er hatte damals seinen Generalstabslehrgang absolviert und wartete auf die Berufung nach Berlin in die Bendlerstraße. »Der Krieg verschont keinen«, sagte er weise. »Wir erleben die totale Umwertung aller Werte und Ideale, Jürgen. Wenn wir sie überleben, werden wir eine andere, bessere Welt daraus schaffen! Eine ruhige Welt, in der die Völker friedlich nebeneinander leben können und im Austausch ihrer Waren und Kulturen glücklich sind.«
    »Und daran glaubst du, Vater?!«
    Breyle nickte schwer. »Ganz fest, mein Junge, ganz fest. Sonst hätte dies alles hier« – er umfaßte mit einer weiten Armbewegung das Land, über dem das Donnern der Geschütze und das Krachen der fernen Einschläge lag – »überhaupt keinen Sinn mehr!«
    »Das wollte ich nur von dir wissen, Vater.« Jürgen hatte sich von der Steinbank erhoben und trat an die rußgeschwärzte Mauer des Gehöftes. »Ich habe in Rußland die Sinnlosigkeit dieses Krieges gesehen. Ich habe den Rückzug von Moskau mitgemacht, ich habe an der Rollbahn nach Smolensk gelegen, ich habe Orel gestürmt und Orscha. Und wir haben uns totgelaufen in der Weite Rußlands … das Land saugte uns auf. Es war alles so sinnlos … der Vormarsch wie der Rückzug … Bei einer Gefangenenvernehmung habe ich einmal einen Russen gesprochen. Es war ein Bauer, ein einfacher, dummer, armer Muschik, dem sie seit Jahrhunderten in Rußland in den Hintern treten … ob Zar oder Stalin, ob Krone oder Hammer und Sichel – er wurde getreten. ›Warum seid ihr gekommen. Brüderchen?‹ sagte der Muschik zu mir. ›Um uns zu befreien von Väterchen Stalin? Ist Väterchen Hitler anders, wenn er nach Rußland kommt? Warum Krieg? Warum läßt du uns nicht die Felder bebauen, warum muß euer Bauer auch in den Krieg und muß sterben und weiß nicht warum? Wollte ihm einer sein Feld nehmen, seine Kuh, sein Haus? Ich wollte es nicht – ich bin glücklich, wenn der Dnjepr rauscht und über die Sonnenblumenfelder der Wind kommt, der Wind aus der Steppe, der warme Wind aus Kasan … Warum Krieg, Brüderchen? Wir wollen doch leben, weiter nichts …‹ Das sagte der kleine, arme, getretene Muschik, Vater. Er hat mir den ersten Stoß gegeben in meiner Begeisterung für sogenannte politische Ideale!«
    »Der Kerl war eine dreckige Wanze!« Major von der Breyles Gesicht hatte sich etwas gerötet. Die Sonne konnte es nicht sein, also war es Zorn oder Verlegenheit. »Ein dummer Bauer, Jürgen. Er sieht die große Weltgeschichte von der Höhe seines Misthaufens aus. Ich hätte ihn für seine Frechheiten an die Wand gestellt!«
    »Ich habe ihn laufen lassen, Vater …«
    »Jürgen!« Von der Breyle zuckte auf. »Ist das bekannt geworden?!«
    »Nicht direkt. Er ist geflüchtet,

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