Sie fielen vom Himmel
Bedenken und störte das Unternehmen zu Beginn durch seine Feststellung, daß er Feldwebel sei und eigentlich die Pflicht habe, die Leute von solchen Dummheiten fernzuhalten.
»Dich ham se wohl mit der Nudelrolle großgezogen?!« verscheuchte Theo Klein die kleinlichen Bedenken Maaßens. »Wer nichts frißt, kann nicht kämpfen. Und was sollen wir hier? Kämpfen! Also müssen wir auch fressen! Ist das klar, Leute?!« Die anderen nickten beifällig. »Na also – vielleicht finden wir was. Soll ja vorkommen, daß herrenlose Schweine die Felder verwüsten.«
Es stellte sich heraus, daß die Schweine nicht herrenlos waren, sondern einem alten Bauern gehörten, der trotz der Kämpfe auf seinem Hof geblieben war. Schon das war Heinrich Küppers reichlich unverständlich.
»Warum ist er nicht getürmt?« fragte er Theo Klein.
»Der hat Angst um seine Schweine.«
Die drei betraten den Hof, sittsam, brav, den Bauern zackig grüßend. Kurt Maaßen hörte die Schweine im Kotten grunzen. Verklärt sah Theo Klein ihn an. »Das sind se, Kurt.«
»Ich höre es.«
Heinrich Küppers hatte die Verhandlung bereits aufgenommen. Er hatte es auf dem Gymnasium bis zur Quarta gebracht und konnte noch etwas Latein. Wer Latein kann, kann auch Italienisch, zumindest kann man sich damit verständlich machen und redet nicht aneinander vorbei. Ehrfurchtsvoll hörten Theo Klein und Kurt Maaßen zu, wie Heinrich Küppers dem alten Bauern ein feudales Angebot machte: Für ein Schwein 10.000 Lire!
Der Bauer sah den deutschen Unteroffizier groß an. »No, no, signore«, sagte er. »Porco, mia amore!«
»Was quasselt er?« fragte Theo Klein.
»Das Schwein sei seine ganze Liebe.«
Theo Klein starrte den alten Bauern entgeistert an. »Pervers ist der Kerl auch noch! Was man so alles erlebt …«
Heinrich Küppers winkte ab und wandte sich wieder dem Italiener zu.
»15.000 Lire! Mein letztes Wort!«
Kurt Maaßen stieß Klein an. Sein Gesicht war bleich. »Woher will der Heinrich die 15.000 nehmen?! Der ist ja verrückt.«
»Schnauze!« Theo Klein sah hinüber zu dem Stall. Er hörte das Grunzen der Schweine. Sein Herz zuckte.
»Si, signore!« Der alte Bauer lächelte und schob die Hand vor. »Prego …«
Heinrich Küppers grinste. Er nahm seine Brieftasche aus der Kombination und klappte sie auf. Theo Klein und Kurt Maaßen hielten den Atem an … es war, als schwebe im Weihnachtsmärchen ein silberner Engel vom Himmel. Küppers nahm zwei Stückchen Papier heraus … zwei buntbedruckte, verfallene, zwei Jahre alte Losscheine der Winterhilfslotterie. Sie hatten das Aussehen einer Banknote … mit vielen Schnörkeln und viel Schrift und Zahlen. Mit großer Geste hielt er dem Bauern die beiden Scheine vor und drückte sie ihm in die Hand. »Bitte!« sagte er sogar noch dabei.
Der Bauer betrachtete mißtrauisch die Loszettel und hielt sie Küppers wieder hin. »Nix Lire«, sagte er.
Heinrich Küppers tat beleidigt. Er wich einen Schritt zurück und hob beschwörend beide Hände. »Dokument!« sagte er laut. »Dokumenta von Kommandantura! In zwei Monaten« – er hob zwei Finger hoch –, »Duo mesi, Lire von Kommandantura in Salerno. 15.000 Lire!« Und als der Bauer unsicher auf die Papiere sah, schrie er: »Gutscheine, du Rindvieh, verstehst du?!«
Der Bauer nickte. Er steckte die Losscheine der deutschen Winterhilfslotterie sorgfältig und wie einen Schatz in die Tasche. Die Papiere waren echt, das sah er. Ein Stempel war darauf und das Zeichen der Deutschen, der Adler mit dem Hakenkreuz. 15.000 Lire für ein Schwein … o Madonna mia! Er führte die drei zum Stall, holte ein Schwein aus der Box und zeigte darauf.
Theo Klein befand sich in einer fast andächtigen Stimmung. Er streichelte den rosigen Rücken der Sau, er kraulte sie hinter den Ohren, es war fast, als wolle er vor Tierliebe weinen. Dann nahmen sie einen Knüppel, trieben das Schwein vor sich her und legten erst eine Rast ein, als sie den halben Weg zurück, mit Fluchen und Stockschlägen auf das ausbrechende Schwein, hinter sich hatten. An einer Wiese blieb Theo Klein stehen. »Was machst du, wenn der Alte in zwei Monaten die Loszettel vorlegt?« fragte er.
Heinrich Küppers winkte großzügig ab. »In zwei Monaten sind wir bestimmt nicht mehr hier. Auf jeden Fall haben wir ein Schwein.«
An diesem Nachmittag knallte es im Rücken der deutschen Front. Nur einmal. Aus einer Pistole. Am Abend gab es bei der 3. Kompanie Schweinebraten, am Spieß geröstet. Selbst Hauptmann
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