Sie fielen vom Himmel
schwach. Über ihre Augen zog wieder der trübende Schatten.
Strathmann reichte ihr seine Hand hin. Sie war staubig und voll Ölflecke. Maria Armenata legte ihre Fingerspitzen hinein, er schloß die Hand und spürte selig, wie er einen Teil ihres Körpers umfaßt hielt, einen warmen, leicht bebenden Teil, und wenn es auch nur die Finger waren.
»Ich komme wieder, Maria. Ich werde hier an der Quelle sein und hupen.«
Maria sah ihm nach, wie er den Hang hinabsprang, leichtfüßig, schlank, voll jungenhafter Freude. An seinem Motorrad schnallte er den randlosen Helm wieder auf und schob die Maschinenpistole vor die Brust. Er winkte noch einmal zu ihr hinab und ratterte dann den Weg weiter hinauf, nach Contursi zu. Maria sah ihm nach, bis er in den Felsen verschwand; dann stieg sie die Anhöhe empor, ohne die Krüge, die halbgefüllt neben der Quelle standen.
Auf dem Gipfel des Hanges erwartete sie Emilio Bernatti. Er hatte ein Gewehr in der Hand und starrte finster auf die Straße, über der noch der Staub von Strathmanns Motorrad lag.
»Welche Truppe?« rief Bernatti Maria entgegen. »Es war ein Fallschirmjäger! Wo liegen sie? Wollen sie zurückgehen? Wo fuhr er hin?!«
Maria Armenata schob Bernatti zur Seite und ging an ihm vorbei zu dem Zeltlager, das zwischen den Felsen aufgeschlagen stand.
»Ich weiß es nicht! Ich habe ihn nicht gefragt. Er ist unglücklich, Emilio.«
»Er ist ein Feind! Er ist ein Deutscher!« Bernatti warf sein Gewehr hin und spreizte die Finger. »Ich bringe dich um, du Miststück, wenn du dem Kerl auf den Leim gehst! Aushorchen solltest du ihn, und was machst du? Du himmelst ihn an! Man sollte im Krieg alle Weiber ersäufen, dann ist das Siegen leichter!«
Er stapfte Maria nach zu den Zelten und setzte sich zu Mario Dragomare und Francesco Sinimbaldi auf die aufgeschichteten Steine, die ihnen als Sitzgelegenheit dienten. Auf seinen Kopf hatte die deutsche Wehrmachtsleitung tausend Mark gesetzt. Er hatte es von Sinimbaldi gehört, der aus Eboli zurückkam und die Nachricht mitbrachte, daß die Stadt nur noch ein rauchender Trümmerhaufen sei. Als er Anfang September mit siebzig Männern und ihren Frauen und Töchtern in die Berge zog, um eine Partisanentruppe zu bilden und den britischen Landetruppen im Rücken der Deutschen einen Weg zu bahnen, tat er dies aus Haß gegen die Deutschen.
»Italien hat genug geblutet!« hatte er den siebzig Männern zugerufen. »Es ist genug mit diesem Wahnsinn! Wir sind Bauern, wir wollen zu unseren Feldern, wir wollen pflügen, säen und ernten! Wir wollen diesem Krieg ein Ende machen. Gott wird uns verzeihen.«
Sie versteckten sich in den Bergen, sie überfielen die Nachschubkolonnen, sie ermordeten einzelne Soldaten, sie legten Minen auf den Straßen und jagten Depots in die Luft. Als die Fallschirmjäger der Engländer bei Avellino niedergingen, weit hinter den deutschen Linien, fanden sie die Partisanen schon bereit. Mit den britischen Sabotagekolonnen, die sie in den Felsennestern versteckten, sprengten sie die Brücken und hoben deutsche Kommandos aus … aus der Dunkelheit der Nacht schlugen sie zu, schemenhaft, wie ein Spuk, gnadenlos, eine Spur von Blut hinterlassend.
Die Gruppe Bernatti im Gebiet der 34. Fallschirmjäger-Division wartete noch auf den großen Einsatz. Wenn die Deutschen zurückgingen, wollten sie die Pässe abriegeln, die Straße verminen und die sich durch die engen Schluchten zwängenden Kolonnen mit Felssprengungen zermalmen.
Emilio Bernatti sah zu Maria hinüber, die an einem offenen Feuer in einer Pfanne Spaghetti wärmte.
»Ab morgen steht Renate an der Quelle!« schrie er zu ihr hinüber. »Ich bringe dich um, wenn du noch einmal mit dem Deutschen sprichst!«
In Rom hatte das Absetzen der britischen Fallschirmtruppen im Rücken der deutschen 10. Armee einen Schock ausgelöst. Noch wußten die einzelnen Stellen nicht, wie weit die Armee Clarks bereits von der Küste ins Innere vorgedrungen war – die Wehrmachtsberichte waren in einer lapidaren Sprache gehalten, die alles und nichts sagte. Vom Hauptquartier Kesselrings kam nichts durch, um keinerlei Panik im Hinterland zu erzeugen und die Partisanengruppen zu ermutigen, noch aktiver zu werden, als sie es schon waren. Nur die endlosen Lazarettzüge, die in Rom eintrafen und die Tausende stöhnende und mit durchbluteten Verbänden schaurig anzusehende Verwundete ausspien, verrieten mehr als Worte und als die sich ständig widerrufenden Meldungen aus dem
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