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Sie fielen vom Himmel

Sie fielen vom Himmel

Titel: Sie fielen vom Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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in der wundervollen langobardischen Schrift.
    »Meine Herren!« Die Stimme Stuckens riß Breyle und Sporken empor. »Wir wollen in dieser Stunde nicht sagen, dieses Weihnachten sei ein Fest des Friedens. Draußen fallen unsere Brüder; anstatt zu beten, schießen sie und liegen zerfetzt und schreiend in Schnee und Schlamm. Lassen Sie uns anstoßen auf das Ende des Krieges und auf die Vernunft der Menschheit! Und gedenken wir der Kameraden …« Er stockte und hob sein Glas. Von der Breyle hatte sich abgewandt, über sein zerklüftetes Gesicht zuckte es.
    Jürgen … Kamerad Jürgen … Mutter sitzt jetzt allein in der Stube. Sie hat den kleinen Baum angesteckt und dein Bild vor sich stehen. Dein Bild, umkränzt mit Tannengrün, aus dem deine Augen hervorlachen. Und jetzt weint sie, ihre weißen Haare sinken auf den Tisch, und sie begreift die Welt nicht mehr, die Menschen, selbst Gott nicht. Der Baum knisterte in ihre Einsamkeit hinein, und wie immer riecht die Stube nach Äpfeln, Spekulatius und Pfeffernüssen. Du hast sie immer so gerne gegessen, Jürgen. Wenn dein Weihnachtsteller leer war, haben wir heimlich von unseren Tellern die Pfeffernüsse auf deinen hinübergelegt … Mutter und ich. Die Erde zitterte. Über ihnen rauschte es heran und bohrte sich krachend in die Felsen.
    »38er-Geschütze«, sagte Stucken und hob das Glas. Stumm, den Blick auf den Boden, tranken sie die Blechbecher leer. Weihnachten … Stille Nacht, heilige Nacht … Theo Klein lehnte an der Grabenwand. Er hatte Wache. Unter seinen runden Stahlhelm hatte er einen Kopfschützer gezogen. Er hörte zwar darunter nichts mehr, aber das war nicht so wichtig. Er sah die fernen Einschläge und von den gegenüberliegenden Höhen das dünne blitzende Streifennetz der Leuchtspurmunition. Das genügte ihm. Müller 17 kam aus dem Bunker gekrochen und schob ihm ein Stück Kuchen zwischen die Zähne.
    »Danke«, sagte Theo Klein. »Woher?«
    »Aus 'nem Paket von Bergmann.«
    »Schmeckt gut.« Theo Klein nickte. Der Schnee rieselte von seinem Helm über das Gesicht. »Ich wünschte, ich hätte auch noch 'ne Mutter, die mir Pakete schickt.«
    Weihnachten … Stille Nacht, heilige Nacht …
    In Rom saß Renate Wagner am Bett eines Sterbenden. Rückenmarkschuß … gelähmt bis zum Hals … In einem Wasserbett lag der 20jährige Junge, steif wie ein Brett. Sein Atem ging hohl, hechelnd, wie bei einem Hund, der erschöpft vom Laufen ist. Als von den Kirchen Roms die Glocken erklangen, schlug er die Augen auf. Blaue Augen, überzogen von der Mattheit des Sterbens.
    »Glocken?« sagte er mühsam.
    »Die Heilige Nacht.« Renate Wagner beugte sich über ihn. Sie tupfte den Speichel von seinen Lippen, der ihm aus dem Mund rann.
    »Weihnachten …« Es war wie ein Hauch. »Jetzt steckt Mutter die Kerzen an …«
    Der Junge lächelte. Mit diesem Lächeln starb er. Glücklich, im Klang der Glocken von allen Kirchen Roms. Stille Nacht … heilige Nacht …
    Auf dem Monte Trocchio lag schweres Artilleriefeuer. Die 34. amerikanische Division stürmte den Berg. Dr. Pahlberg und Dr. Heitmann standen in blutigen Kitteln an den Bahren und verbanden. Zum Operieren hatten sie keine Zeit mehr … nur verbinden, abbinden, Augen zudrücken, Injektionen, abklemmen, vertrösten, inmitten von Schreien, Stöhnen, Jammern und Fluchen. Ein Feldwebel streckte Pahlberg seinen rechten Arm entgegen, die Hand pendelte an zwei Sehnen herab, oberhalb des Gelenkes war sie durchtrennt wie von einem Beilhieb.
    »Wird sie wieder werden, Herr Stabsarzt?« stammelte der Feldwebel. »Sagen Sie mir die Wahrheit … ich brauche diese Hand. Ich bin Pianist, Herr Stabsarzt …«
    Dr. Pahlberg schob ihn zur Seite, Krankowski nahm den Feldwebel mit in den Nebenraum. Dort würde Dr. Christopher die Hand einfach abschneiden, die Hand, die nur noch an zwei Sehnen hing und einmal Mozarts süße Kapriccios und Beethovens gewaltige Sonaten spielte. Stille Nacht … heilige Nacht …
    Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volke widerfahren wird …
    Aus 5.000 Rohren gellte der Tod in die Nacht. Es war Weihnachten … Das Fest des Friedens …
    Die Partisanengruppe Emilio Bernatti war den Amerikanern und Briten vorausgezogen. Nach dem Tode Bernattis hatte Piero Larmenatto die Führung übernommen und hauste mit sechzig wild aussehenden Männern in den Bergen rund um den Monte Cassino, im Rücken der deutschen Verteidigungsstellung. Mario Dragomare und Gina waren in Eboli geblieben … die

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