Sie fielen vom Himmel
erworben … aber ich gehöre in dieser Zeit der höchsten Not zu meiner Diözese. Seit 1912 lebe ich auf dem Monte Cassino … ich verlasse ihn nicht!«
»Sie werden in eine Hölle kommen, Hochwürden!« Major v. Sporken zeigte von der Höhe des Berges hinüber nach Süden. »Dort steht bereits die 5. Armee. Ehrwürden! Sie werden mit ihrer schweren Artillerie und mit ihren Bombergeschwadern den Monte Cassino in ein Inferno verwandeln!«
»Aber nicht das Kloster, Herr Major.« Erzabt Diamare trat an eine Mauer und blickte hinab auf die Stadt Cassino. Rauchende Trümmer zeigten den Weg zur Vernichtung, die durch das Tal zog. Vom Monte Camino herüber tönte bereits der Lärm der Schlacht … dort standen die Truppen Clarks vor dem Riegel der Reinhard-Stellung. »Sie brauchen mich«, sagte Diamare und zeigte auf die Trümmer der Stadt und auf den Zug der Flüchtlinge, die den Klosterberg hinaufströmten und im Kloster, in den unterirdischen Gewölben und Sälen Schutz suchten. »Wer soll sie trösten? Wer soll ihnen die Messe lesen? Wer soll die Verzweifelten zurück zu Gott führen? Der Glaube darf dem Krieg nicht weichen, Herr Major. Der Glaube ist das Letzte, was den Menschen schützt vor der völligen Verzweiflung und Selbstaufgabe. Sie haben die Reliquien gerettet, Sie haben 1.600 Jahre Kirchengeschichte der Welt erhalten, Gemälde von Tizian, Raffael, Tintoretto, Ghirlandajo, Peter Brueghel und Leonardo da Vinci. Sie haben die Vasen und Mosaike, die Skulpturen und Plastiken des versunkenen Pompejis gerettet … was bleibt mir, Herr Major? Was rette ich aus diesem Krieg? Mir bleiben die Seelen dieser notleidenden Menschen … und deshalb bleibe auch ich!«
Major v. Sporken schwieg. Er verstand den Erzabt. Auch der Kapitän eines Schiffes bleibt auf dem sinkenden Schiff und geht mit ihm unter. Den Klosterberg hinab über die Serpentinen rollten die letzten Wagen … Nonnen, Mönche, die letzten Kunstschätze. Fünf Mönchspriester, ein Priester der Diözesanverwaltung und fünf Fratres blieben im Kloster Monte Cassino zurück, mit ihnen der achtzigjährige Diamare.
Am 3. November segnete Erzabt Diamare Major v. Sporken und seine Soldaten in einer Dankmesse, die er selbst zelebrierte. Sogar Theo Klein war dazu erschienen … er hatte es bei Hauptmann Gottschalk mit der nicht abzuweisenden Begründung durchgesetzt, er habe den heiligen Apollinaris getragen, den er in anderer Form schon seit 20 Jahren kenne. Gottschalk verzichtete auf eine Klarstellung dieser Ansicht und nahm Theo Klein zur letzten Messe des Klosters mit. Die 3. Kompanie hielt den Atem an. Ergriffen kniete sie in der herrlichen Basilika. Die zurückgebliebenen Mönche sangen, mit zitternden Händen brachte Diamare das Meßopfer dar, ahnend, daß es das letzte in diesen geheiligten Räumen war. Im Flackern der Kerzen, vor den gefalteten Händen der Mönche und Soldaten – selbst Theo Klein und Heinrich Küppers standen wie die Säulen, und in ihren Augen spiegelte sich die Ergriffenheit einer wie vor einem Wunder aufgebrochenen Seele – winkte Erzabt Diamare Major v. Sporken zu sich an den Hochaltar. Seine Worte waren leise, stockend, zerrissen von der blutenden Seele, die sein Inneres überschwemmte, als er Major v. Sporken dankte für die Rettung der Cassinenser Schätze. Dann überreichte er ihm eine auf altem Pergament gemalte Handschrift, in der Art der uralten Codices, versehen mit dem Siegel des Klosters Monte Cassino an einer gelb-roten langen Schnur. In langobardischer Schrift, mit einer wundervoll gemalten Initiale, verewigte der greise Bischof auf diesem Pergament den Dank des Klosters und der Christenheit:
In nomine Domini nostri Jesu Christi – Illustri ac dilecto viro tribuno militum Richard v. Sporken – qui servandis monachis rebusque sacri Coenobii Casinensis amico animo, sollerti studio ac labore operam dederit, ex corde gratias agentes, fausta quaeque a Deo suppliciter Casinenses adprecantur.
MONTICASINI CAL. – NOV. MCMXLIII
GREGORIUS DIAMARE
EPISCOPUS ET ABBAS
MONTICASINI
(Im Namen unseres Herrn Jesus Christus, Dem erlauchten und geliebten Militärtribun Richard v. Sporken, der die Mönche und Güter des heiligen Klosters Cassino gerettet hat, danken die Cassinenser aus ganzem Herzen und bitten Gott um sein ferneres Wohlergehen.
MONTE CASSINO, IM NOVEMBER 1943
GREGORIUS DIAMARE O. S. B.
BISCHOF UND ABT
VON MONTE CASSINO)
Nach dieser feierlichen Messe schenkte der Erzabt auch den Soldaten als kleinen Ausdruck seines
Weitere Kostenlose Bücher