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Sie fielen vom Himmel

Sie fielen vom Himmel

Titel: Sie fielen vom Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Notwendigkeit. Sie lesen es doch, Sporken: Die Deutschen haben es verstanden, daraus Nutzen zu ziehen! Ist das nicht deutlich genug?!« Seine Stimme wurde laut und dröhnend. »Wir schlucken auch das, Sporken. Wir haben vieles an Kriegsschuld geschluckt, da kommt es auf den Monte Cassino gar nicht mehr an! Und wenn sie den Berg zerhämmern, wenn sie aus dem Kloster Pulver machen und die Keller nach oben drehen … uns kriegen sie hier nicht weg! Wir bleiben, Sporken! Wir krallen uns fest an jedem Busch, der noch steht, wir liegen hinter jedem Stein, der noch höher ist als ein Kopf mit Stahlhelm! Ich habe noch keinen Fallschirmjäger gesehen, der vor Bomben und Granaten weggelaufen ist.«
    Major v. Sporken schloß das Fenster. Der Wind wehte das Flugblatt weg … den Berg hinab in einen Trichter. »Im Kloster befinden sich 1.300 Frauen und Kinder«, sagte er leise. »Man muß sie evakuieren.«
    »Wir?!« Stucken fuhr herum. »Herr Major – Sie haben schon die Kunstschätze von Monte Cassino weggeschafft. Vielleicht dankt Ihnen das einmal eine spätere Generation und das Christentum. Ich glaube es nicht! Die guten Taten werden vergessen! Hätten Sie das Kloster geplündert, würde man Sie nie vergessen. Sie haben zuviel Idealismus! Ich werde das Flugblatt an die 10. Armee melden … soll sich Kesselring damit befassen und eine geschichtliche Erklärung abgeben. Wir sind Fronttruppe, Sporken, Kampftruppe. Wir schlagen zurück, und wir greifen an … alles andere ist uns Wurscht!«
    »Aber die Kinder, Herr Oberst! Die unschuldigen Kinder! Wenn der Amerikaner das Kloster bombardiert, gibt es ein unvorstellbares Blutbad.«
    »Das haben die Amerikaner mit ihrem Gewissen abzumachen, nicht wir.« Plötzlich stutzte er und drehte sich zu v. Sporken herum. »Nicht wir?! Natürlich wir! Wir werden ja die Schuldigen sein! Uns wird man die operative Notwendigkeit anhängen. Sie haben doch recht, Sporken.« Er griff zum Telefon und drehte an der Kurbel. »Versuchen Sie, mit dem Erzabt in Verbindung zu kommen. Ich rufe die Transportkolonnen an, ob eine Möglichkeit besteht, die italienischen Flüchtlinge aus dem Kloster wegzubringen. Wir haben nur einen Weg, der nicht von den Engländern eingesehen werden kann – den Saumpfad nach Piedimonte. Über die Serpentinenstraße zum Kloster kann nicht einmal ein Käfer kriechen. In Albaneta muß sie dann der Nachschub in Empfang nehmen …«
    Major v. Sporken verließ das Zimmer. Auf dem Flur traf er von der Breyle, der mit den neuen Munitionslisten zu Stucken wollte. »Sie wollen das Kloster bombardieren!« schrie er ihm entgegen. »Sie haben Flugblätter abgeschossen! Hat die Sanitätsabteilung genug Material, um eventuell Verwundete übernehmen zu können?«
    »Nein.«
    Sporken blieb erschrocken stehen. »Nein?!« Er wurde unsicher. »Aber Breyle … es waren doch zwei Lastwagen unterwegs, und in Albaneta warteten die Trägertrupps mit 45 Mulis.«
    »Die Wagen sind nie angekommen, Sporken.«
    »Die verfluchten Partisanen!« schrie der Major auf. Von der Breyle ließ ihn stehen und ging wortlos weiter. In der Dämmerung war sein Gesicht nicht zu erkennen. Sporken wäre entsetzt gewesen. Es war, als fiele das Fleisch von Breyles Gesicht.
    In den weiten Gängen des Klosters, über die Höfe, in die Basilika und Kapellen rannten schreiend die Menschen. Das Bekanntwerden der Flugblätter trieb sie in panikartiger Furcht in die unterirdischen Gänge oder in die geheiligten Kapellen. Eine Mutter, mit einem wimmernden Säugling vor der Brust, kniete am Hochaltar der Basilika. »Gott läßt nicht zu, daß sie die Kirche beschießen«, stammelte sie immer wieder. »Gott läßt es nicht zu.« Sie drückte das greinende Kind an sich und küßte es auf die Stirn. »Still, bambino, ganz still … hier sind wir sicher. Ganz sicher … Die Madonna ist bei uns …«
    In den Höhlen unterhalb der Klostermauern bauten andere mit Decken, Stroh und Brettern eine notdürftige Unterkunft. Im Garten des Klosters, inmitten bereits zerschossener Olivenhaine, stand ein Greis und grub mit einem verbogenen Spaten ein Loch in den steinigen Boden. Er schwitzte dabei trotz der Kälte, er röchelte bei jedem Spatenstich. Neben ihm, auf einer Decke, lag ein Mädchen. Seine Enkelin. Ihr Kopf war verbunden, ein Splitter hatte sie unten in Cassino getroffen und oberhalb der Schläfe die Schädeldecke aufgeschlitzt. »Ich baue uns ein Grab!« sagte der Greis. Er warf die Steine um sich und grub mit seinen knochigen Armen.

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