Sie fielen vom Himmel
entstellten Leichen mit erdiggrauen Gesichtern, stand im Zentralhof, vor dem Eingang in die herrliche Loggia del Paradiso, die Statue des heiligen Benedikt.
Ein Bombensplitter hatte sie enthauptet, Symbol des Unterganges einer christlichen Welt …
Unten im Tal auf seinem Gefechtsstand, hockte General Freyberg in einem Klappstuhl und sah auf seine Armbanduhr. Der Klosterberg vor ihm war eingehüllt in eine Wolke von Staub und zuckenden Flammen.
Über das Gesicht Freybergs zog ein schwaches Lächeln. Erkannte er das Sinnlose seines Werkes, empfand er Reue oder Scham? Er starrte schweigend auf den Monte Cassino, auf die Trümmer des Klosters, in die jetzt die Artillerie hineinschoß, das, was die Bomben übriggelassen hatten, völlig pulverisierend.
»Noch vier Stunden«, sagte er. Seine Stimme schwankte nicht. Sie war knapp, hart, die Stimme eines Militärs. »Die einzelnen Regimenter treten zum Sturm in die angewiesenen Plätze an! Sie können sich Zeit lassen …« Er sah auf den dampfenden Berg … bis zu ihm hin wurde die Erde erschüttert durch die pausenlosen Einschläge. »Von den Deutschen ist nichts mehr übrig … Wir brauchen den Berg nur zu besetzen.«
Im Stabsquartier der 5. Armee sah auch General Gruenther auf seine Uhr. Der goldene Zeiger tickte langsam vorwärts … 9.41 … 9.42 … 9.43 … 9.44 … Gruenther sah hoch und traf den Blick Clarks.
»Jetzt geht das Kloster unter!« sagte er dumpf.
General Clark wandte sich schroff ab. »Erinnern Sie mich nie mehr daran!«
Die Tür knallte ins Schloß, als er fast laufend das Zimmer verließ.
Major Richard v. Sporken stürzte in den Kartenraum. Er war aufgelöst und hielt Oberst Stucken ein Flugblatt hin, das ihm soeben ein junger Italiener gebracht hatte. Es war der 14. Februar, nachmittags 17 Uhr.
»Lesen Sie das durch!« schrie er. Er warf sich auf einen Stuhl und schob Stucken das Flugblatt hin, einen etwas angesengten Zettel mit einigen Zeilen in italienischer Sprache. »Sie haben es vorhin in den Garten des Klosters geschossen! Amerikanische Artillerie! Es ist unglaublich! Einfach unglaublich! Alles in mir sträubt sich, das zu glauben! Lesen Sie, Herr Oberst, lesen Sie es doch!«
Stucken nahm das Flugblatt und ging damit ans Fenster. Im Licht der Dämmerung entzifferte er mühsam die italienischen Worte. Major v. Sporken trat hinter ihn. »Ich übersetze es Ihnen«, sagte er heiser.
»Italienische Freunde, seht Euch vor! Wir haben es bisher mit aller Sorgfalt vermieden, das Kloster Monte Cassino zu beschießen. Die Deutschen haben es verstanden, daraus Nutzen zu ziehen. Doch nun ist die Schlacht immer näher an den heiligen Bezirk gerückt. Die Zeit ist gekommen, da wir unsere Waffen gegen die Abtei selbst richten müssen.
Wir warnen Euch, damit Ihr Euch in Sicherheit bringen könnt. Wir warnen Euch mit allem Nachdruck! Verlaßt sofort das Kloster! Beachtet diese Warnung! Sie ergeht zu Eurem eigenen Vorteil.
Die fünfte Armee.«
Oberst Stucken ließ den Zettel sinken. »Das habe ich erwartet«, sagte er ruhig.
»Das ist eine Hundsgemeinheit!« schrie v. Sporken. »Sie wollen das Kloster beschießen! Sie werden an den Gebäuden Schaden anrichten, der nicht wiedergutzumachen ist!« Plötzlich stutzte er, nahm den Zettel aus Stuckens Hand und las noch einmal die Worte durch. Er wurde bleich und tippte mit dem Zeigefinger auf eine Zeile des Aufrufes. »Man kann es auch anders übersetzen«, sagte er mit aufgerissenen Augen. »Hören Sie mal, Herr Oberst. Hier steht: ›… siamo costretti a puntare le nostre armi in tutti i modi di civitare il bombardamento del monastero di Monte Cassino …‹ Lesen Sie es genau, Herr Oberst … il bombardamento, steht da … Das kann auch bombardieren heißen. Aus der Luft, Herr Oberst! Das aber wäre der Untergang des Klosters, der völlige Untergang …« Er lehnte sich gegen das Fenster und starrte hinaus in die Dämmerung. »Das ist doch nicht möglich … das kann doch kein Mensch verantworten … Das ist ja eine Gotteslästerung …«
Oberst Stucken nahm das Flugblatt aus der Hand v. Sporkens, öffnete das Fenster und warf es hinaus. »Es ist Krieg, Herr Major! Wenn in der Heimat die Dome unter den Bomben zusammensinken, warum soll dann Monte Cassino verschont bleiben? Sie lesen es doch: Wir sind schuld. Die Deutschen! Und wenn sie wirklich das Kloster zerbomben – und daran zweifle ich jetzt nicht mehr –, dann wird man uns auch das in die Schuhe schieben! Taktische und operative
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