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Sie fielen vom Himmel

Sie fielen vom Himmel

Titel: Sie fielen vom Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Sie, Sporken?« fragte Stucken. »Bin ich so blöd, daß Sie mich anstarren?«
    »Nein, Herr Oberst. Nur – ich entdecke in Ihnen einen zweiten Menschen!«
    »Blödsinn!« Stucken riß Sporkens Kopf hinab. »Schnauze in den Dreck, Sporken! Es geht wieder los!«
    Die zweite Welle umkreiste das Kloster und den dampfenden Berg und warf in die rauchenden, brennenden, zusammenbrechenden Trümmer, auf die im Kloster herumrennenden und schreienden, irrsinnigen Menschen die neue Last ihrer Bomben. 100 Tonnen. Nur 100 Tonnen. So eine Art Aufräumen bloß … ein bißchen Polieren, ein Nachbeizen der Farbe. Und der Berg schrie und schrie … das Kloster zerfiel zu Staub, und die Menschen wurden in die Erde gestampft wie unter dem Tritt eines Zyklopen.
    In Albaneta operierte um diese Zeit Dr. Pahlberg zwischen Sandsäcken in einem Erdbunker. Drei Petroleumlampen und eine Azetylenlampe erhellten den dumpfen Raum, in dem es nach Erde, fauligem Fleisch, Eiter, Blut, Urin und Kot stank. Pahlberg hatte die Uniformjacke ausgezogen … trotz der draußen über dem Land liegenden Kälte war die Luft in diesem Erdbunker zum Schneiden dick und warm. Die einzige Entlüftung, der Eingang in die Erde, war angefüllt mit Verwundeten und Sanitätern, die die Stöhnenden herbeischleppten und die Toten, drei oder vier Mann übereinander auf einer Trage, hinaustrugen und in eine Grabenecke kippten. In Hemdsärmeln, ohne Handschuhe, mit bloßen, blutigen Händen, wie ein Fleischer, der Ochsen schlachtet, stand Dr. Pahlberg inmitten der Wimmernden und operierte an einem Klapptisch, der bei jedem Einschlag schwankte und einmal sogar mit dem Verwundeten darauf umfiel, als eine Bombe fünf Meter neben dem Erdbunker den Felsen aufriß.
    Dr. Pahlberg richtete mit Krankowski den Tisch wieder auf und operierte weiter. Mit verbissenem Gesicht, bleich, übergossen von Schweiß stand er inmitten des Sterbens und versuchte zu retten, was unter seine langen, schmalen Hände kam. Dr. Heitmann, der vor dem Operationsbunker in einzelnen kleineren Unterständen und einem Zelt, das weithin das Lazarettzeichen trug, die leichteren Fälle verband und Splitter herauszog, Knochen einfach abtrennte und hoffnungslose Fälle erst gar nicht zu Pahlberg ließ, sondern aussortierte und in einer Ecke still sterben ließ, kam in den Unterstand gekrochen. Er hatte die Gummischürze um, auf der sich ein Gemisch von Blut, Lehm und Eiter befand und sie fast ganz bedeckte. »Die zweite Welle!« sagte er keuchend. »Und die Artillerie trommelt die Stellungen ab! Systematisch, in Stufen, als wolle sie Terrassen in den Berg sprengen. Wir bekommen noch genug Arbeit.« Er sah auf den OP-Tisch und schüttelte den Kopf. »Das ist ja ein völlig aufgerissener Unterbauch?!«
    »Ja.« Dr. Pahlberg klammerte gerade ab und legte die herausquellenden Gedärme auf ein weißes Tuch. Dort, wo das Geschlechtsteil des Mannes gewesen war, gähnte ein großes, blutiges Loch.
    »Drei Splitter. Genitalien weg, Blase weg, Unterbauch aufgerissen.« Pahlberg sah auf. Er traf den Blick Heitmanns und wußte, was dieser sagen wollte. »Es ist sinnlos, ich weiß es, Heitmann. Es ist fast alles sinnlos, was wir in diesen Tagen hier machen. Aber solange ich einen Funken Hoffnung habe, einen winzigen, glimmenden Funken, greife ich zu!« Er schob mit beiden Händen die Därme fort und griff mit Aderklemmen in die Tiefe des grauenhaft zerfetzten Leibes. »Der Mann ist fünfundzwanzig Jahre alt, Heitmann, Vater von zwei kleinen Kindern … 1 ½ Jahre und sechs Monate alt. Zwei Mädchen mit blonden, langen Locken. Auch seine Frau ist blond … eine hübsche Frau mit einem runden Puppengesicht. Dreiundzwanzig Jahre alt. Lotte heißt sie. Sicherlich hat er sie Lotti gerufen. Ich habe seine Brieftasche durchgesehen, bevor ich anfing. Dabei fand ich die Bilder. Und einen Brief, Heitmann, von Lotti. ›Nie werde ich Deinen letzten Urlaub vergessen‹, schreibt sie. ›Ich war so glücklich, Dir nach so langer Zeit wieder zu gehören. Wenn ich die Kinder ansehe, sehe ich immer Dich. Hoffentlich wird das dritte ein Junge, so tapfer, so groß, so lieb wie Du …‹ Heitmann – da mußte ich einfach operieren, da konnte ich nicht anders. Zwei Kinder, eine süße kleine Frau, ein drittes kommt vielleicht – und der Mann liegt hier, aufgerissen wie ein aufgeschlitztes Schwein, mit hervorquellenden Gedärmen und weggerissenen Genitalien. Und seine kleine Frau war so glücklich, ihm zu gehören! Begreifen Sie diese

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